Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1919 (1919)

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Das verlorene Weiblein. 
Eine Schnurre von Reimmichl. 
Simbacher Hardl von Nothfelden 
"*>^war fein Weiblein durchgegangen. — Vor 
einem halben Jahre hatte der Hardl die 
Ramsteiner Barbl geheiratet; er hatte das 
Weiblein in den ersten Zeiten der jungen 
Ehe so verhätschelt, daß die Barbl glaubte, 
im Ehestand gäbe es nur Sonnenschein und 
heiteren Himmel, und das müsse so bleiben 
in alle Ewigkeit Amen. Als aber nach 
Monaten doch kleine Wölkchen am Ehe 
himmel aufstiegen, da 
wurde die Barbl ver 
drossen, störrisch und 
schnippisch. Der Hardl 
ertrug lange Zeit alles 
mit Geduld und Auf 
merksamkeit; allein ei 
nes Tages war schlech 
tes Wetter in seinem 
Kalender geschrieben, 
und da die Barbl nicht 
aufhörte, in die Wol 
ken zu blasen, gab es 
richtig einen Sturm. 
Der Hardl . erforschte 
seinem Weiblein krästig 
das Gewissen, gab ihr 
auch einen heilsamen 
Zuspruch, aber keme 
Lossprechung. Die 
Barbl schluchzte um 
fleimte, dann ei te sie 
in ihre Kammer, packle allerlei Sachen in ein 
großes Tuch und zoa ohne Abschied hinauf 
in den Ramsteinerhof zu ihren Eltern. 
Vierzehn Taae weilte die ausgerissene 
Bäuerin schon droben auf dem Ramstein, und 
mit jedem Tage wurde i r unwohler; sie se nie 
sich hinunter zum Simbacher und würde 
einen Bauernhof darum gegeben haben, wenn 
sie mit ihrem Hardl wieder in Liebe und 
Eintracht beisammen sein könnte; auch der 
Hardl vermißte sein Weiblein gar sehr; er 
ging trübselig herum und warf sich vor, daß 
er der Barbl doch unrecht getan. Aber der 
Hardl hatte seinen Kopf und die Barbl den 
ihren; keines wollte den ersten Schritt zur 
Versöhnung machen. So warteten beide auf- 
(Nachdruck verboten.) 
einander; die Barbl saß droben an ihrem 
Kammerfenster und schmachtete hinunter zum 
Simbacherhof; der Hardl saß am Stuben- 
fenster und schwärmte hinauf zum Ramstein. 
— Endlich ging das Wort aus dem Paradiese: 
„Es ist n>cht gut für den Menschen, daß er 
allein sei", dem Hardl so stark zu Herzen, 
daß er beschloß, einen Schritt zur Vereini 
gung zu machen, aber eigentlich nur einen 
halben 
Motiv aus Thomasroilh in Oberösterreich. 
Er begab sich in den Widum zum Herrn 
Pfarrer. Der Pfarrer, der den Hardl ob 
seiner witzigen Einfälle und seiner drolligen 
Sprache gut leiden mochte, empfing den 
Hardl mit Lachen. 
„Was wär' denn gut, Simbacher?" 
fragte er schon von weitem. „Ich hätt' ein 
großes Anliegen", erwiderte der Hardl; „hab' 
etwas verloren und tät' halt recht schön 
bitten, wenn der Herr Pfarrer mir tät' ein 
bißchen helfen suchen." 
„Da seid Jbr wohl nickt zum Rechten 
gekommen, Simbacher; — ich hab' kurzsichtige 
Augen und bin darum ein schlechter Finder." 
„O, das Ding ist schon so groß, daß 
Jhr's ohne Brillen leicht sehen könnt."
	        
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