Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1919 (1919)

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diesen Herrn hier, sprach er, auf einen Neben 
mann deutend, abgefertigt habe." Der dienst 
bare Geist des Juweliers war's zufrieden. 
Der Nebenmann war abgefertigt und trat 
ab. Nun kam aus dem Ordinierungszimmer 
der Doktor abermals in das Wartezimmer 
und rief den Diener des Juweliers in sein 
Kabinett. „Wie steht es mit Ihrer Gesundheit, 
junger Mann?" fing der Doktor an. „Ich 
hörte, daß es schlecht mit Ihnen stehe ; Sie 
bedürfen einer eingehenden Untersuchung, 
nehmen Sie gefälligst Platz." „Aber, Herr 
Doktor, ich bin ja gar nicht krank, ich bin 
ganz gesund, bin als Diener bei dem all 
bekannten Goldschmied N. angestellt. Ihre 
gnädige Frau Gemahlin hat eben vor einer 
Stunde in unserem Geschäfte einen kost 
baren Schmuck auserwählt; und da sie die 
erforderliche Summe Geldes nicht bei sich 
hatte, meinen Prinzipal ersucht, ob ich nicht 
mit ihr und mit dem Schmuck in Ihre 
Wohnung fahren dürfte. Sie würde Ihnen 
den Schmuck zeigen, und falls Sie ihn nicht 
zu teuer fänden, würde ich sofort die ver 
langte Summe erhalten; im entgegengesetzten 
Falle würde ich wieder mit dem Schmuck 
in das Geschäftshaus meines Chefs zurück 
kehren. Ich bitte, mich baldigst abzufertigen, 
da ich Eile habe." Der Doktor darauf: 
„Lieber junger Mann, Ihre Worte bestärken 
mich in meiner Ansicht Ihrer schweren 
Geisteskrankheit; ich wurde gestern bereits 
von Ihrer fixen Idee unterrichtet. Sie laufen 
in verschiedenen vornehmen Häusern herum 
und fingen überall das gleiche Lied vom 
Schmuck, welchen die gnädige Frau gekauft 
soll haben, und den zu bezahlen deren Gatte 
die Ehre habe. Die Polizei ist auf Ihrer 
Spur; es ist gar nicht ausge chlossen, daß 
Sie von derselben als gemeingefährlicher 
Dieb und Verbrecher behandelt werden; einst 
weilen gelten Sie ihr als Irrsinniger." Dem 
Diener wurde angst und bange; heiß lief es 
ihm über den Rücken hinab. Je mehr er 
seinen normalen Geisteszustand behauptete, 
desto rücksichtsloser behandelte ihn der Arzt 
als Irren. Was war geschehen? War der 
Arzt im Bund und Einverständnis mit „der 
, gnädigen Frau" ? War er im Komplott mit 
dem Diebstahl eines so kostbaren Schmuckes?' 
Keineswegs, der Doktor war ein Ehrenmann. 
Er war ebenso ein Opfer raffiniertesten 
Schwindels wie der Juwelier. Vaquerina 
hatte sich diesen Trick ausgedacht. Sie be 
trat vom Warteraum des Doktors aus gar 
nicht dessen Ordinationszimmer, sondern, mit 
den Lokalitäten des Hauses wohl vertraut^ 
verduftete sie durch eine kleine Nebentüre, 
als ob sie in die Küche sich begeben und 
dort mit dem Küchenpersonal etwas zu tun 
habe. Aber auch dort hielt sie sich nicht auf. 
sondern begab sich durch den Garten aus 
der rückwärtigen Seite des Hauses auf die 
Straße, wo sie alsbald unter der Volks 
menge mit ihrer erschwindelten goldenen 
Halskette verschwand. Dem Doktor hatte sie 
tags vorher durch einen Dienstmann einen 
Brief mit unleserlicher Unterschrift ein 
händigen lassen mit der Warnung vor einem 
Geistesgestörten, der das eigentümliche Merk 
mal an sich habe, Geld für einen Gold 
schmuck einzuheben, den die Frau des Hauses 
angekauft haben soll; die fixe Idee des geistes 
gestörten jungen Menschen könnte leicht zu 
einem Skandal führen und seiner Frau und 
ihm, den bestrenommierten Doktor, selbst auch 
gefährlich werden. Der Brief tat seine Wir 
kung. Der Arzt rief schließlich seine Frau; 
d i e erklärte denn auch, nicht das geringste 
im Gewölbe des betreffenden Juweliers ein 
gekauft zu haben. Und da der Junge sie 
ansah, erkannte er, daß diese gar nicht 
die Frau wäre, die mit ihm vom Gold 
schmied bis hieher gefahren ist. Das sprach 
er nun laut vor dem Doktor aus. Auch 
dem Doktor ging ein Licht auf: Der gestrige 
Brief hänge mit dem Halskettendiebstahle 
im Juweliergewölbe zusammen; er und der 
Juwelier waren jämmerlich betrogen worden. 
Sie verständigten die Polizei — vergebens.. 
Vaquerina war verschwunden, um unter 
anderem „System" aufs neue zu schwindeln. 
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Spruch. 
Des edler Mut sein Adel ist, 
Sein Ruhm die Wahrheit sonder List.. 
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Gar hochgeboren ist der Mann, 
Der seinem Willen leben kann,
	        
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