Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1918 (1918)

117 
(Eine ZlTvcttev. 
\ Erzählt von Reimmichl. (Nachdruck verboten.) 
sranzmarianns Seppl hatte das Gym- sagte er eines Tages beinahe schüchtern und 
<3* nasium vollendet, öte Maturaprusung 
mit Auszeichnung bestanden und es trat die 
schwere Frage an ihn: „Was jetzt?" — 
Seine Mutter, die Kleinhäuslerswitwe Franz- 
mariann, hing mit ängstlich-zagendeu Blicken 
an seinem Munde, ob er sich nicht aussprechen 
stockend: 
„Mutter, was soll ich denn werden?" 
„Seppl", entgegnete das alte Weiblein, 
„von mir aus kannst werden, was du willst 
— nur eines verlang ich, glücklich mußt 
werden!" 
Fürstliche Trauergüste bei der Beisetzung des Kaisers Franz Loses in Wien. 
Kaiser Karl und Kaiserin Zita mit dem Thronfolger Franz Josef Otto, ferner der König von Bayern, Zar Ferdinand von Bulgarien 
^der deutsche Kronprinz, der König von Sachsen und der Kronprinz von Schweden unmittelbar hinter dem Sarge. 
werde. Sie hatte in den acht langen Studien¬ 
jahren gar so viel gebetet und gesorgt, ge¬ 
darbt und gespart, um dem Seppl weiter¬ 
zuhelfen. Sie hatte es gerne getan, weil all 
ihr Glück und ihre Liebe auf dem Seppl 
ruhte und ein bißchen wohl auch in der 
seligen Hoffnung, ihren Seppl einmal als 
Diener Gottes am Altar zu schauen. Aber 
so sehr die Mutter es auch erwartete, der 
Seppl sprach lange Zeit keine Silbe über 
seine Standeswahl. Erst am Ende der Vakanz 
„Das wär' freilich die Hauptsache, 
Mutter", äußerte der Sohn und nach einigem 
Zögern platzte er heraus: 
„Mutter, ich will Doktor studieren." 
„Ganz recht!" sagte das Weiblein und 
doch zuckte es bei diesen Worten schmerzlich 
um seine Lippen; „aber brav mußt bleiben 
und christlich, dann wirst auch glücklich, 
sonst nicht! — Und zwischen uns beiden, 
Seppl, wird's deshalb nicht anders. Ich tu' 
nach wie vor für dich beten und dich gern 
;
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.