Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1914 (1914)

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Erde rufen! —- Mehr Seligkeit braucht sie 
nicht. Sie findet kein Wort des Dankes — 
sie sieht nur den jungen Prinrizianten und 
im Geiste den barmherzigen, gütigen Heiland. 
— In ihrer Seele wird's stille, ganz an 
dächtig und gesammelt kniet sie da. 
Alles um sich her 
vergißt die Mutter — 
sie betet nur von ganzem 
Herzen und sie fühlt's, 
daß der Heiland sie er 
hören wird. 
Jetzt klingt dreimal 
in kurzen Absätzen die 
Glocke. — 1 Das Mütter 
lein kniet vorne am 
Kommuniongitter und 
hält mit zitternden Hän 
den das weiße Tuch. 
„O Herr, ich bin nicht 
würdig — nein, Herr, 
ich bin's nicht würdig . . 
aber mach' du mich wür 
dig ..." 
Jetzt ist es nicht 
mehr ihr Kind — der 
Geweihte des Herrn steht 
vor ihr und spricht mit 
fester Stimnre, wie einen 
inhaltsschwerenSegens- 
spruch: „Oorpus Domini 
nostri JesuChristi custo- 
diat animam tuam in vi- 
tam aeternam. Amen.“ 
Das Beste darf der junge 
Primiziant Ver Mutter- 
wünschen und geben, als 
Dank für alles. 
Das Ite missa est 
ist verklungen. Andächtig 
kniet das Volk — still 
ist's in der ganzen Kirche 
— Spannung und Freude liegt auf allen 
Gesichtern. — Da breitet der junge Priester 
über all die schlichten Bauern und Bäue 
rinnen, über die Kinder und seine eigenen 
Mitbrüder die Hände aus und spricht von 
ganzem Herzen die Segensworte: „Benedieat 
vos omnipotens Deus, Pater et Filius et 
Spiritus sanctus. Amen.“ 
Wie gerne er das betet und ihnen allen 
Gottes Liebe wünscht! 
Zum Schlüsse haftet sein Blick auf der 
Mutter. Ganz ruhig sieht sie zu ihm empor. 
Langsam leert sich das Gotteshaus. Das 
Mütterlein wartet, bis ihr Sohn das Dank 
gebet nach seiner ersten heiligen Messe ver 
richtet hat. Sie hilft ihm danken mit ihrem 
Herzen voll Jubel und Seligkeit. Ganz 
still knietsie in der Bank und blickt unverwandt 
auf den Altar. Vom funkelnden Goldgrund 
hebt sich das altersdunkle Kruzifix ab — 
ringsum stehen Kerzen und Blumen. Wie 
groß und herrlich das Kreuz hier steht — 
das schlichte, verachtete Kreuz, auf dem der 
Heiland gelitten hat; so viel Glück hat's 
gebracht und jetzt strahlt's in Glanz und 
Glorie! — 
s 
V 
Die Pfarrkirche in Christkindl. Eine der interessantesten Kirchen von 
Oberösterreich,, ein prächtiger Kuppelbau, von 2 Türmen flankiert.
	        
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