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Sie riefen in einem fort nach ihrem Pepito.
Vergebens. Da ging der Mond auf. Er
war diese Nacht voll geworden. Keine Wolke
stand am nächtlichen Himmel. Jetzt waren
die Sucher auf der Höhe des Berges an
gelangt. Dieser fiel auf der anderen Seite
steil ab. „Pepito, Pepito!" Keine Antwort.
Nur das Anschlagen eines Hundes in einem
Bauerngehöfte und das widerliche Rufen
des Nachtkäuzchens unterbrach die unheim
liche Stille der Nacht. Doch horch — was ist
das? Ermüdet setzten sich beide oben nieder,
unter ihren Füßen gähnte ein Abgrund.
„Ramon", begann das Weib, „hörst du
nichts. Es ist mir, als ob da unten jemand
weine."
Beide neigten sich vorsichtig über den
Abhang hinaus. Der klare, volle Mond
beleuchtete, einem Scheinwerfer gleich, die
ganze Umgebung. Er beleuchtete ein grausiges
Bild. Da, ganz nahe lag der blutige, zer
schmetterte Leichnam ihres Vaters. Und da
neben lag auf den Knien Pepito. „Armer
Großvater", wimmerte halblaut das Kind; „so
bist du denn tot. Meine Eltern waren grau
samer als Kain. O Großvater, nimm mich
zu dir." Und dabei umschlang der Knabe
krampfhaft Pedros leblosen Körper. Ein
Selbstmord war bei dem frommen, gott
ergebenen Pedro ganz ausgeschlossen. Das
Wahrscheinlichste ist, daß er in seiner Ver
zweiflung — wenn man diesen Ausdruck
bei dem frommen Greis gebrauchen darf —
auf dem Berge planlos herumirrte, dann
von Hunger, Müdigkeit und Abendkühle
ermattet, in der Dunkelheit vor dem Mond
aufgang den Abhang hinunterstürzte. Dort
mochte ihn Pepito gesucht und beim Aus
gang des Mondes gefunden haben. Die
Eltern stiegen mit großer Gefahr den Ab
hang hinunter. Pepito verstummte, Pedro
redete nicht mehr und die beiden Eheleute
standen da sprachlos, wie versteinert vor Ent
setzen. Riesengroß stand ihre Verschuldung
gegen das vierte Gebot vor ihren Augen.
Sie baten dann dem Toten alles ab, was
sie gegen ihn gesündigt hatten. Hoffen wir,
daß auch Gott ihnen verziehen habe.
... —3
Der Mai Aomet als Heiratsvermittler.
Humoreske von Hans Waldmoser, Wels. Nachdruckverboten.
er Held, von welchem diese Geschichte
handelt, heißt Pankraz Nebrocensky,
ist ein geborener „Böhm", hat vor mehr
als zwanzig Jahren die ehr- und tugend-
same Jungfrau Leokadia Lampl geheiratet,
die dem Pankraz gleich im ersten Jahre der
glücklichen Ehe ein pausbackig Dirndlein
schenkte, das bei der heiligen Taufe den
kerndeutschen Namen Adelgunde erhielt, aber
ihre Eltern und die anderen Leute nannten
sie kurzweg Gundl. Von Beruf, aus ist der
Nebrocensky ein Regenschirmmacher. Als
wandernder Geselle kam er nach Oberöster
reich und im Jnnviertel draußen gefiel es
ihm gar gut.
„Da bleib'ns mi, weil's sein wunder
schöne Platzl!" So hat der Nebrocensky gleich
gedacht. Und faktisch es ist schon so: wo
ein Böhm einmal seßhaft wird, da bringen
ihn ein Dutzend starker Ochsen nimmer
vom Fleck.
Also blieb er in einem kleinen Städtchen
am Inn, wurde bald Meister und heiratete.
Das Geschäft ging gut, so daß der Pankraz
in kurzer Zeit zu Haus und Wohlhabenheit
gelangte.
Seine Tochter, die Gundl, ist ein gar
dralles Ding geworden, dessen Schönheit die
Aufmerksamkeit der jungen Männer bald
auf sich lenkte. Besonders des Nachbars
Fritz, eines Schlossermeisters Sohn, fand
an dem Mädchen Gefallen und Adelgunde
an ihm.
Vater Nebrocensky kam aber hinter die
Liebelei und war fest entschlossen, dem Techtel
mechtel ein rasches Ende zu bereiten.
„Gundl!" sagte er daher eines Tages,
„Du bist me jetzt alt genug, daß de kannst
Hausfrau vorstellen ... Glaub' ich, daß du
sollst heiraten!"
Das Mädchen, nichts Schlimmes ahnend,
war sogar freudig überrascht und meinte: