Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1912 (1912)

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Brummen und Murren. Die groben Worte 
beider — ein gutes Wort bekam er nicht 
mehr — taten dem alten Manne bitter 
weh. In seinem Herzen zuckte es krampfhaft, 
heiße Zähren rollten über die Wangen des 
Greises herab. Das hatte er um seine 
Kinder nicht verdient, s o hatte er sich 
seinen Lebensabend nicht erwartet. 
Bilder aus Vberösterreich: Alt-Linzerm. 
Trat er im Winter halb erfroren zum 
Herdfeuer, so hieß es: „da bist du uns im 
Wege, gehe auf die andere Seite". Wenn 
Pedro vom Hunger geplagt, ein hartes 
Stück Brot mit seinen stumpfen Zähnen 
kaute, da geiferte das junge Weib: „Heiliger 
Gott, der Alte ißt ja den ganzen Tag. Er 
wird uns noch aufzehren." Dann trat wieder 
der Sohn auf: „Aber Vater, magst du 
denn gar nichts mehr arbeiten! So gehe 
doch auf die Wiesen hinaus und mache 
Gräben für die Bächlein." Wenn, was selten 
geschah, der Greis lachte, gleich fuhr die 
Schwiegertochter mit den bissigen Worten 
heraus: „Was ist es doch für lästiges Zeug 
mit diesem Alten; er ist doch zu gar nichts 
da, als zum Aergern über seine Albernheiten." 
Pedro litt bitterlich. Oft kam ihm 
7F der Gedanke, das Haus zu verlassen, 
, m jenes Haus, in welchem er so viele 
Jahre so glücklich war, und welches 
in seinen alten Tagen ihm zur 
Hölle gemacht werde. Aber eines 
hielt den Greis davon zurück. Das 
Kind seines Sohnes und seiner 
Schwiegertochter, der liebe Enkel 
hatte es ihm angetan. Der Kleine 
hing so innig an seinem Großvater. 
Freilich war dies den jungen Eltern 
gar nicht recht: aber alles Ab 
mahnen und Strafen war ver 
gebens. Der Kleine wiederholte in 
einem fort sein „Großvater, lieber 
Großvater". Das tat dem letzteren 
wieder so wohl; und wenn er den 
kleinen, lebhaften, unschuldigen 
Knirps in die hellen, von keinem 
Falsch verunstalteten Augen blickte, 
da war aller Vorsatz, die ungast 
liche Heimat zu verlassen, verflogen. 
Eines Tages wurde eS aber doch 
dem alten Pedro durch ganz be 
sondere Grobheiten der jungen 
Leute zu viel. Schluchzend verließ 
er seine Heimat, das Paradies 
seiner Jugend, die Hölle seiner 
alten Tage. Wohin er gehen werde? 
Er wußte es nicht. Er ging gerade 
Ü aus. So schlecht, wie zu Hause, 
konnte es nirgends sein. „Geh 
nur zu, Vater", rief ihm der un 
geratene Sohn nach; „ich hoffe, dich 
nicht mehr zu treffen, wenn ich von der 
Mühle heimkomme." Gebeugten Hauptes, 
Tränen in den Augen, mit vor Schmerz 
zusammengepreßten Lippen, die alterszitternde 
Hand auf den Stock gestützt, so schritt Pedro 
vorwärts. Wohin? Er wußte es selbst nicht. 
Nur das wußte er, nach Hause wolle er 
nie mehr. Da kam der Enkel von der Schule 
nach Hause. „Großvater, Großvater, wo bist
	        
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