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Mit Wohlbehagen atmete er die reine Luft
der gutgelüsteten Wohnstube seines Hauses
ein, und die Unterhaltung mit dem Weibe,
die sich lind um seine Seele gelegt, hatte
auch dieser reine Luft und Wohlbehagen ge
bracht.
Die Bäuerin hatte den Alltagsstatt ihres
Mannes wieder so hergerichtet, daß er den
Stürmen einer Arbeitswoche aufs neue
standhalten konnte und verschwand dann für
ein Weilchen aus der Stube.
Als sie wieder hereinkam, liefen die
Kinder hinter ihr drein. Sie trug mit beiden
Händen, vorsichtig schreitend, eine dampfende
Schüssel. Und dieser Dampf verbreitete einen
Wohlgeruch, der jedem angenehm in die
Nase stieg, übrigens in diesem Hause noch
immer kein täglicher Gast war.
Die Bäuerin hatte, um das Daheim
bleiben des Mannes zu feiern, Kaffee be
reitet. Die gute, dicke Milch war dabei die
Hauptsache, damit der Trank auch den
Kindern nicht schade, aber er schmeckte auch
dem Bauern vortrefflich, und so reichlich
war die Schüssel gefüllt, daß die Tischgesell
schaft trotz ihres gesegneten Appetites sie gar
nicht einmal ganz auslöffeln konnte. Aber
sie wurde doch geleert, denn als Liesl, die
Magd, von ihrem Ausgange heimkam, war
sie höchlich erfreut, an dem Kaffeerest eine
so vorzügliche Jause zu finden. Ganz un
gestört saß sie dabei, denn die Bauersleute
hatten mit den Kindern die Stube verlassen,
um einen Rnndgang durch die umliegenden
Felder zu machen, die fast alle zum Hofe
gehörten. -
Und da erlebte der Bauer wieder ganz
eigene Dinge Er sah, daß man von seinem
Besitztum eine ganz herrliche Rundsicht hatte.
Er war freilich schon oft hier gestanden,
war auf- und niedergewandert, aber immer
nur mit den Werktagsaugen, und diese
hatten vor sich auf die braunen Schollen zu
sehen und hatten die Ochsen und den Pstug
zu bewachen. Und wenn der Bauer an Sonn
tagen über diese Höhe schritt, dann geschah
es halt wieder nicht mit den richtigen Augen,
weil diese schon immer voraus eilten und be
reits die Wirtsstube mit den Kameraden sahen.
Aber heute ging er einmal mit der
Gattin im gemächlichen Spazierschritt. Und,
herrjeh, wie es diese verstand, einem die
rechten Sonntagsaugen in den Kopf zu setzen.
Da und dorthin mußte er gucken, mußte
zugeben, daß es auf diesem Stücklein Erde
wirklich wunderschön sei; und schier von
jedem Baum, jedem Blümlein wußte die
Lene noch obendrein ein nettes Geschichtlern
zu erzählen. Im Fluge verging die Zeit.
Nach dem Abendessen, zu dem sich auch
die beiden Knechte und die zweite Magd
eingefunden hatten, gab es noch vor der
Haustüre einen gemütlichen Plausch. Da
dachte keines mehr daran, noch einmal fort
zugehen und ein jedes war verwundert, daß
die Schlafensstunde auf so flinken Füßen
daherkam.
Als der Bauer die Kammer betrat,
hatte sein Weib soeben die Kinder zur Ruhe
gebracht. Jetzt kam es ganz nahe an den
Gatten heran, reichte ihm die Hand und
sagte innig:
„Vergelt's Gott, Stephan, daß du heute
einmal daheimgeblieben bist. Ich meine, einen
so schönen Sonntag habe ich noch gar nie
verlebt."
Dem Bauer stieg es heiß zu den Augen
herauf und sein Herz begann stürmisch zu
klopfen. So schön wie die Lene da heute
vor ihm stand, mit hochgeröteten Wangen
und den glückselig leuchtenden Augen war
sie ja nicht einmal als Braut gewesen. Er
umschlang sie mit beiden Armen und ver
schloß ihr die lächelnden Lippen mit einem
herzlichen Kusse, den die Lene mit gleicher
Wärme erwiderte.
Und war dieser Kuß nicht noch weit
süßer und weihevoller als der erste Braut
kuß gewesen war? — Lag ihm ja doch die
freudenvolle Ahnung zugrunde, daß erst jetzt
für sie das wahre Glück der Ehe beginne.
Ein Glück, das auch mit den weißen Haaren
nicht stirbt.
Der Bauer stellte keine Vergleiche mehr
an zwischen dem Wirtshaus und der heimat
lichen Stube, weil ihm eben das Wirtshaus
gar nicht mehr einfiel und er nur mehr die
Wohltat der reinen Luft eines glücklichen
Familienlebens fühlte. Und vor dem Ein
schlafen war sein letzter Gedanke ein Segens
wunsch für den frommen Missionär, daß