Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1909 (1909)

   
   
    
    
   
   
   
      
- war ein altes, verbautes Haus, in 
welchem der Steuerkontrolleur Siebert 
wohnte, eines der Häuſer aus der Zeit, wo 
die Bauſtellen in Berlin noch nicht so teuer 
waren wie jetzt. Siebert war hineingezogen, 
als er sich verheiratet hatte und war aus 
Bequemlichkeit wohnen geblieben, obwohl die 
Wohnung, eine ſogenannte Manſarde, ſchiefe 
Wände hatte. Aber seiner Frau hatte sie 
gefallen, es war ſo ſchön alles beiſammen, 
die Küche, das Wohnzimmer, die Boden- 
kammer, man konnte immer von einem ins 
andere gehen. 
Nun war sie tot, die gute Frau, er 
war alt, was hätte es jetzt für einen Zweck 
_ gehabt, auszuziehen ? 
Siebert war heute ſchon früh auf den 
_ GBeinen — heut war ein wichtiger Tag + 
der Tag, an welchem er ſeine Lebensver- 
ſicherung ausbezahlt bekam, an der er fünf- 
unddreißig Jahre geſpart hatte, aber nun 
_ war das Sparen vorüber, heute bekam er 
das ganze Geld heraus, fünfundzwanzig- 
tauſend Mark. 
O wie oft hatte er den Tag herbeige- 
wünſcht, als ſeine gute Frau noch lebte, 
was hatten sie für Pläne geſchmiedet, Luft- 
ſchlöſſer gebaut, was wollten sie da nicht 
alles tun! wie gemütlich wollten sie es sich 
machen! – + ja, ja, damals konnten ſie 
noch an ein gemütliches Leben denken, da 
war noch alles gut, damals + als aber 
der Aerger mit dem Burſchen losging, da 
war es vorbei mit den ſchönen Hoffnungs- 
träumen, und wenn er später, als er Ruhe 
îgeſchaffen, wieder von dem Tage zu ſprechen 
anfing, da ging seine Frau nicht auf das 
_ Thema ein, ſondern ſchwieg, natürlich, ſie 
hatte ja nur einen Wunſch, der Lümmel, 
_ Ver Kurt, möchte wieder zu Gnaden auf- 
genommen werden, der freche Burſche, der 
es gewagt hatte, ſeinem Vater ins Gesicht 
zu troten. 
Na, das war ja nun längst alles vorbei. 
Er erhob ſich und ging im Himmer 
auf unn e.. . 
Siebert war ein großer Mann, ſeine 
Gestalt war hager und ſehnig, ſein Kopf 
16 
Das Gebet der Toten. 
Von Karl Pauli. 
  
  
  
   
  
    
   
   
   
   
   
   
   
   
  
  
  
   
   
   
  
öffnen. 
  
     
    
    
E 
| .d zählte 
groß mit einer Fülle grauſchwarzen Haarei" gleitete 
bedeckt + das Gesicht knochig, mit ſcharfen] ob er n 
harten Zügen. i offen f 
Unruhig ging er im Zimmer auf un. D 
ab – warum kam der Beamte der Lebent- Siebert 
versicherung nicht ? Es war ſchon spät, gewi) des Be 
die Banken ſchon zugemacht, er mußte des ein er 
Geld im Hauſe behalten + wie unangenehm! einige ( 
— wenn er auch keine Furcht hatte, er | ſiedien 
knarrte da nicht etwas ? dort in der Kammer! von ( 
Er öffnete die Tür und ſah angestrengt in GKiſten 
den leeren Raum – nein + wohl nich, Gegenſ 
er konnte auch nichts ſehen, er nahm die ſcnell 
Lampe und leuchtete + nein, es war nichts[ und ſc 
ſchon wollte er sich wieder zurückziehen, v Licht er 
fiel ſein Blick auf einen Phonographen, de durch 
verstaubt in einer Ecke ſtand. Er lächelt! flachen 
wehmütig + die letzte Herſtreuung ſein! chem e 
verstorbenen Frau. Sie hatte in ihrer lezte! führte 
Krankheit, die sie durch Monate ans Bell des Nc 
fesselte, sich oft mit dem kleinen Inſtrumel E 
die Zeit vertrieben, er hatte ja Dienst un Stunde 
konnte nicht immer bei ihr ſein. | Siebert 
Seine Erinnerung wurde wieder vo! daſtieg 
neuem wach, er hatte das Ding nie leidet langſar 
mögen, aber sie war ganz vernarrt dari1 ſchmäch 
gewesen, es ſpräche doch jemand mit ihh] Mann 
wenn sie allein ſei, hatte ſie gemeint. Si Scheu 
hatte auch ſelbſt hineingeſprochen ~ gz1 Wand 
ſeinem Aerger ein Gebet für den ungeratent ſchmale 
Sohn -=, er hatte es ihr mit harten Worta| welches 
verwieſen als Frevel und Läſterung + eil Siebe 
Gebet von einem solchen Ding herunter] deckte, 
plärren lasſen ~ ! ie hatte es auch nie wiede und le 
erwähnt und er hatte es faſt vergeſſen. Abn Voden. 
heute bewegte es ihn dennoch! - Jüßen 
Ob die Platte wohl noch funktionierte] zu dem 
da lag sie ja. Er nahm sie und legte si! Handh 
auf; es drängte ihn, die Stimme der ge! Draht, 
liebten Lebensgefährtin heute zu vernehmet, lleines 
die teure Stimme, die längſt verstummt] Fenster 
ſelbſt wenn sie ihn an einen Unwürdige paarmc 
erinnern ſollte. " gzog dar 
Er zog den Apparat auf. [ ging a 
Da klingelte es. | . 
Er stellte den Schlüſsſel fest, daß dai] 1n all 
Werk nicht laufen konnte, und ging, uml | pie ofl 
L Wenn 
     
| | Strafe
	        
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