Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1908 (1908)

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auf unseren Reichtum ordentlich fürchten tu'." 
— „O bester Mann," fiel die Frau dem 
Sprecher jählings ins Wort, „du redest mir 
da wahrhaftig das eigene Empfinden aus 
der Seele heraus. Du glaubst ja gar nicht, 
wie mich heute in der Nacht der Gedanke 
an unseren Reichtum gequält hat. Gar nicht 
schlafen habe ich können, und immer habe 
ich an unser früheres Leben denken müssen, 
wie wir noch die reichen Kronauer gewesen 
sind. Da sind wir freilich von einer Lust 
barkeit in die andere geeilt, alleweil mußte 
das feinste Essen aufgetischt sein, und wenn 
wir drinnen in der Stadt gewesen sind, 
haben schier die halben Kaufläden unser 
gehört, aber gelt, so recht vergnügt und zu 
frieden waren wir doch nie. Und auf einmal 
gewöhnen müssen, wird das viel schwieriger 
sein. Es ist wahr, wir sind wirklich erst 
als arme Schlucker glücklich und zufrieden 
geworden. Und eigentlich sind wir jetzt gar 
keine armen Schlucker mehr. Wir sangen 
doch schon an, Ersparnisse zu machen, 
haben eine größere Wohnung gemietet und 
neue Möbel gekauft. Und wie lange dauert's 
denn noch, kaum mehr ein Jahr, dann ist 
unser Franzl vom Schulgehen los, und ich 
hab' ihn als Gehilfen in der Werkstätte 
draußen. Hernach geht erst das rechte Ar 
beiten an und damit auch das Geldein- 
heimsen. Wirst schauen, wie dann die 
Geldstücke nur so zum Fenster Hereinreisen 
werden." 
„Nun, wir wollen sehen," erwiderte 
Der erste oberösterreichische Burschenverein in Ansfelden mit seinem Präses Herrn 
Kooperator Moser. 
sind wir als die abgehausten, bettelarmen 
Kronauer dagestanden, wo uns dann der 
alte Vetter den Rat vom Arbeiten gab. 
Wir hätten ihn damals freilich lieber auf 
tausend kleine Stücke zerrissen, aber wenn 
ich aufrichtig rede, behaupte ich dreist, daß 
dieser Rat gewiß das Klügste war, was 
uns je im Leben gesagt worden ist, denn 
unser zufriedenes, frohes Gemüt, das größte 
Glück, das man überhaupt haben kann, hat 
uns doch nur die Arbeit zuwege gebracht." 
„Da hast du vollkommen recht, liebe 
Regine, ich glaube halt, wir passen fürs 
Reichsein nicht recht, und werden auch jetzt 
um kein bißchen gescheiter sein, sondern 
sicher zum zweitenmale unseren Reichtum 
verpuffen. Darüber werden wir alt, und 
wenn wir uns dann wieder an die Arbeit 
Regine auf diese Rede des Mannes, „wer 
mehr verdient, du oder ich, wenn ich ein 
mal unsere Anna in der Nähstube habe, 
schon jetzt bring' ich sie kaum mehr hinaus, 
und gleich im nächsten Winter lasse ich sie 
einige Monate von einer tüchtigen Stadt 
schneiderin abrichten, damit sie von unserem 
Gewerbe die neuesten Vorteile lernt. Dann 
passe nur auf, wie uns die Kunden zu 
fliegen werden." 
So redeten die zwei Leute, wie schön 
das Arbeiten sei, wie es sie zufrieden und 
allmählich auch sorgenfrei mache, und 
schwiegen dann beschämt. Sie waren ja 
wieder die reichen Kronauer, die doch nichts 
zu arbeiten brauchten und aus ihren Kindern 
keine Lehrlinge machen durften. 
Eine lange Weile dauerte das Schweigen,
	        
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