Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1908 (1908)

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erkennung des Umstandes, daß sie sich seinen 
guten Rat so treu zu Herzen genommen, 
eine ansehnliche Summe im Testamente ver 
schrieben sei. Martin Kronauers Sohn fügte 
noch hinzu, daß er wieder abreisen müsse, 
daher die Erbschaftsangelegenheit möglichst 
schnell ordnen wolle, und Fridolin könne 
sein Geld schon in drei Tagen beheben. 
Dieser hörte kaum, was ihm da vorgesagt 
wurde, und bemerkte auch nicht die etwas 
frostige Miene des jungen Kronauer. Ein 
wahrer Glückstaumel ergriff ihn, und in 
einem Atem rannte er heim zur Regine, 
um ihr mit überschnappender Stimme das 
große Ereignis zu melden. 
Diese warf mit 
einem lauten Ausruf 
des Jubels ihre Näh 
arbeit in den erstbesten 
Winkel, und nun machte 
das Ehepaar Pläne. 
Daß die ererbte 
Summe so groß sei, 
um einen stattlichen 
Bauernhof kaufen zu 
können, und dann noch 
eine ansehnliche 
Summe übrig blieb, 
wußte Fridolin trotz 
seines Taumels, und 
da meinte er, er möchte 
wohl wieder am lieb 
sten nach Sassendorf 
in die alte Heimat zu 
rück. Vielleicht wäre 
es möglich, das väterliche Haus zurückzu 
erwerben. 
Diesem Plane widersprach Regine mit 
dem ganzen Aufgebot ihrer Rede. Ihr ge 
falle es in Tumeltshausen so gut wie 
nirgends auf der Welt, und sie sei dafür, 
daß man hier im Städtchen ein hübsches 
Zinshaus baue. 
Die zwei Leutchen stritten, bis es Abend 
wurde, und zuletzt schlug Fridolin mit 
wuchtiger Faust in den Tisch, und rief mit 
erhobener Stimme: 
„Der Herr bin ich! Und morgen gehen 
wir beide nach Sassendorf. und kaufen den 
Hof meiner Eltern zurück." 
„Dickschädel!" brummte Regine, fügte 
Bilder aus Gberösterreich: 
schloß Seisenburg bei pettenbach. 
diesem Kosenamen noch ähnliche Titel hinzu, 
und ging grollend zu Bette. 
Beide Eheleute schliefen in dieser Nacht 
so erbärmlich schlecht wie noch nie, seit 
Tumeltshausen ihre Wohnstätte war. 
Beim Frühstück saßen sie einander 
schweigend gegenüber, bis Regine mit finsterer 
Miene an ihren Gatten die Frage stellte: 
„Was ist's, wollen wir heute wirklich 
nach Sassendorf gehen?" 
„Heute?" entgegnete zögernd der Mann, 
„ja, weißt du, ich möchte halt gerne die 
Gartenstühle für Apothekers Mutter fertig 
machen, denn ich habe bestimmt versprochen, 
sie heute abends zu liefern. Wir können ja 
morgen erst gehen." 
„Gott sei Dank!" 
atmete Regine erleich 
tert auf, „dieser Auf 
schub ist mir eine 
wahre Erlösung. Ich 
will mich jetzt sofort 
an den Schneidertisch 
setzen, denn die Kauf 
mannsfrau Schellyng 
erwartet bis zum Abend 
ihre seidene Bluse, und 
die Leute sind von mir 
kein säumiges Wesen 
gewohnt." 
So ging ein jedes 
voll Eifer sein Tage 
werk an, und am 
Abend, als die Garten 
stühle und die seidene 
Bluse abgeliefert waren, jedes in seiner Art 
ein gelungenes Prachtstück, saßen Fridolin 
und Regine wieder in fröhlichster Laune zu 
sammen und ließen sich das einfache Nacht 
mahl vortrefflich schmecken. 
Vorbereitungen für einen morgigen Aus 
flug nach Sassendorf wurden keine gemacht. 
Man besprach verschiedene belanglose Dinge, 
und dabei war beiden anzusehen, daß ihnen 
etwas auf dem Herzen liege, wofür nur der 
Mut zum Aussprechen fehle. 
Fridolin brach endlich den Bann, und 
sagte mit etwas unsicherer Stimme: 
„Ach, Regine, denke dir nur, wie närrisch 
ich bin! Und gar nicht begreifen wirst du 
es können, wenn ich dir sage, daß ich mich
	        
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