Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1907 (1907)

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bettn, „die Hand des Herrn ist nicht abge 
kürzt" Js. 59, 1, hente kann sie noch retten, 
wie in längst vergangenen Jahrhnnderten. 
In einem katholischen Dorfe des Schweizer- 
Jnra amtierte als „Staatspfarrer" ein ver- 
nnglückter Priester. Allerdings hatte der alt 
katholische Pfarrer nicht viel zn amtieren, 
da die römischen Katholiken ihn nnd sein 
Gotteshans, seine Predigt nnd seine Sakra- 
mente-Spendnng mieden. Der arme Mann 
war im Grnnde zu bedauern, er genoß keine 
Achtung. Vertrauen schon gar nicht. Denn 
was an Sonntagen in seine, den römischen 
Katholiken entrissene Kirche kam, waren in 
differente, abgestandene Katholiken und et 
welche Protestanten, denen die ganze Sache 
mehr, wienerisch ausgedrückt, eine Hetz war. 
In dieser Gemeinde befand sich nun ein 
notorischer Schnapsbruder, seiner Profession 
nach Schuster. Sein Weib, eine sehr fromme 
Christin, war von dem lauschigen Manne 
zu Tode gequält; sie hinterließ einen Sohn, 
der, obschon unter des Vaters Fuchtel auf 
erzogen, dennoch von der Mut 
ter eine zarte Sittsamkeit und 
für sein Alter heldenmütigen 1 
Glauben ererbte. Dieser Knabe 
war etwa zwölf Jahre alt, 
als der Schweizer Kulturkampf 
ausbrach. Der betrunkene 
Schuster war ein begeisterter 
Anhänger des neuen Glau 
bens. In seiner Wohnung 
wurde nicht selten beschlossen, 
was für Gewaltmaßregeln 
gegen die treuen Katholiken an 
gewandt werden sollten, welche 
Gehöfte man als die nächsten 
nächtlichen Zusammenkünfte 
derselben im Auge hatte und 
wohin Polizei und Gendarmerie 
beordert werden sollte. Das 
hörte der Knabe. Der hatte 
nun nichts Eiligeres zu tun, 
als ganz geheim, auf Kreuz- 
und Querwegen, um nicht ent 
deckt zu werden, die versam 
melte katholische Gemeinde vor 
dem Wolf und der Gefahr zn 
warnen und sie zur rechtzeitigen 
Flucht zu veranlassen. 
Wiederholt hatte dieser un 
erschrockene Knabe den Katho 
liken diesen Dienst geleistet. 
Er kam nicht immer unge 
schoren davon. Man vermutete, 
er sei der geheime Spitzel der; 
Katholiken. Der Vater war 
freilich abends nicht zu Hanse, wenn der Sohn 
Die Gläubigen auf den Bergen warnte, er trank 
im Wirtshaus, aber er wurde aufgestachelt 
gegen seinen frommen, sittsamen Sohn. Des 
anderen Tages examinierte er ihn, wo er abends 
gewesen; und waren die Antworten aus 
weichend, weil das Kind die Katholiken nicht 
verraten und vor Gericht bringen wollte, so 
wurde der Knabe öfters grausam mit dem 
Exzellenz Freiherr von Handel 
Statthalter von Mberösterreich.
	        
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