Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1905 (1905)

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Die Kapuzinergruft in Wien: Die Nische, in der Kronprinz 
Rudolf und Kaiserin Elisabeth beigesetzt sind. 
Die Uapuzinergrukt in ^ien. 
Von A. Kolloden in Wien. 
(Nachdruck verboten.) 
)M Herzen der alten Kaiserstadt Wien 
liegt die Kapuzinerkirche, ein kunst 
loser Bau, der sich mit den hervor 
ragenden anderen Kirchen der schönen 
Donaustadt an baulicher Schönheit nicht 
messen kann, der aber in sich eine der ehr 
würdigsten Stätten der österreich-ungarischen 
Monarchie birgt, die Kapuzinergruft, in der 
seit Kaiser Matthias, der im Jahre 1619 
starb, alle Mitglieder des österreichischen 
Kaiserhauses beigesetzt worden sind. Zu den 
Fürstlichkeiten, die hier ruhen, gehören Kron 
prinz Rudolf und seine unglückliche Mutter, 
die Kaiserin Elisabeth, deren tragisches Schick 
sal die Anteilnahme der ganzen Kulturwelt 
erweckt hat. Kaiserin Anna, die Gemahlin 
des Kaisers Matthias, ist die Stifterin die 
ser gewaltigen Fürstengruft; in ihrem Testa 
mente hatte sie eine bedeutende Summe für 
den Bau des Kapuzinerklosters und der 
Kaisergrust ausgesetzt. Nach deren Vollendung 
wurden im Jahre 1633 sie und ihr Gatte 
als die ersten feierlich hier begesetzt. Leo 
pold I. nahm die erste Vergrößerung der 
Gruft und die Anlage einer Kapelle vor, 
und Kaiserin Maria Theresia schuf für das 
von ihr ausgehende neue habsburg-lothrin- 
gische Haus eine besondere Gruft, die von 
der alten durch ein starkes, .eisernes Gitter 
getrennt ist. Kaiser Josef II, der Sohn seiner 
großen Mutter, führte statt des bisher an 
gewandten Prunkes die größtmöglichste Ein 
fachheit ein; er erließ eine Verordnung, 
daß die Särge fortan ganz einfach aus Kupfer 
herzustellen seien, mit einem großen Kreuz 
auf den Deckel und darunter den Namen 
des darin Ruhenden. Erst Kaiser Franz 
Josef brach mit dieser Tradition und 
so zeichnen sich die Särge des Kron 
prinzen Rudolf und der Kaiserin Elisabeth 
wieder durch ornamentalen Schmuck aus. 
Die inneren Särge sind aus Holz, diejenigen 
der regierenden Fürstlichkeiten sind mit 
schwarzem Samt und Goldstickerei, die der 
Erzherzoge und Erzherzoginen mit rotem 
Samt und Silberstickerei bekleidet. Es ruhen 
hier 129 Mitglieder des österreichischen Kaiser 
hauses und die Gräfin Karoline Fachs, geb. 
Gräfin Molart, die Erzieherin der Kaiserin 
Maria Theresia, die als einzige nichtfürstliche 
Persönlichkeit hier Aufnahme fand. 
Die Kaisergruft ist ein langes Gewölbe 
unterhalb der Kapuzinerkirche und des Klosters. 
Auf bequemer, von glatten Wänden ein 
gefaßter Treppe steigt man hinab; ein Ka 
puzinermönch übernimmt die Führung und 
gibt die nötigen Erklärungen. Zu der Mah 
nung an die Vernichtung, zu dem Bewußt 
sein der Vergänglichkeit tritt hier das Gefühl 
der Abgeschlossenheit irdischer Größe, das 
die Toten aus dem Leben mit in die Gruft 
hinuntergenommen haben. Diese Totentruhen 
bergen so viel irdische Tragik, so viel Schick 
salsgröße und so viel schmerzvolle Erinner 
ungen, daß man hier wie kaum an einer 
anderen Stätte das Wort von der irdischen 
Unzulänglichkeit erfüllt sieht. 
Drei schmucklose Särge in der Kapuziner 
gruft wecken die Erinnerung an jenen Mann, 
der, aus dem 'Volke emporgestiegen, sich
	        
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