Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1904 (1904)

den Riegel zurück und — vor ihm stand 
Vestl, Vronis Gestalt in den kräftigen 
Armen tragend. 
„Da, Lenzbauer, 
da bring ich euer 
Kind!" 
Einen Blick nur 
machte der Bauer 
auf das Mädchen, 
das mit feucht glän 
zenden Augen zu ihm 
aufschaute, dann rief 
er: „Mein' liebe 
Muttergottes, ich 
dank' dir, ich dank' 
dir, daß du die 
Schuld von mir 
g'nommen hast. Mein 
Lebtag will ich dir's 
nicht vergessen und 
dir auch nicht, Vestl! 
Dieser trug das 
Mädchen behutsam 
in die Stube und 
ließ es mit aller 
Sorgfalt auf einer 
der breiten Bänke 
nieder. 
„Vestl, gib mir die 
Hand und verzeih', Vronis Vater gibt dem 
was ich g'sagt hab'. 
Ist ja noch nicht so lang' her," bat der 
Bauer. „Um Vronis willen laß' alles ver 
gessen sein!" — 
„Ja, ich will alles vergessen!" 
„Und jetzt will ich meine Schuld ab 
tragen. Vestl, du bist brav, das kenn' ich. 
Der Herrgott hat es 
selbst zum Lohne ge 
geben, da darf der 
Lenzbauer nicht nein 
sagen. Die Vroni soll 
dein Weib sein." 
Dann segnete er 
sie. Die Beiden küßten 
dem Alten die Hand 
und sagten zu ihm 
„Vater!" 
Das war, als es 
Morgen wurde im 
Tal. 
Die Sonne stieg 
auf und im Lenzen- 
hofe war das Glück 
eingekehrt. 
WennderHerr 
zwei Herzen für 
ein and er 
bestimmt, kann 
kein Mensch sie 
trennen. Der 
Herr führt sie 
immer wieder 
Brautpaar seinen Segen. zusammen. 
Wenn nur die 
Liebe rein und treu ist. 
Dcrs gute Beispiel. 
Beim Vordringen der französischen Armee 
in Oesterreich zu Anfang des HX. Jahr 
hunderts waren die Leute allenthalben voll 
Angst um ihr Hab und Gut. Um dasselbe 
zu schützen, erbaten sie sich gewöhnlich bei 
den französischen Kommandanten „uns sau- 
vegarde,“ eine Schutzwache. 
Ein reicher Müller hatte auch darum ge 
beten, war aber nicht so glücklich, eine Schutz 
wache zu erhalten. Mißmutig geht er heim. 
Da begegnet ihm ein Soldat, der am Fuße 
verwundet war. Wie ein Blitz kommt ihm 
der Gedanke: Nimm den Blessierten ins Haus, 
und du hast eine Schutzwache. Gedacht, getan. 
Er macht dem armen Soldaten den An 
trag, bei ihm sich pflegen zu lassen. Niemand 
war froher als der zu Tode erschöpfte Krieger. 
Er ging sogleich mit ihm in die Mühle und 
fand ein angenehmes Obdach. Er ist für die 
Pflege sehr dankbar und wird ein wahrer 
Wohltäter für das Haus. 
So oft vorüberziehende Franzosen Miene 
machten, in das Haus einzufallen, da stellt 
er sich vor die Tür und kommandierte sie 
weiter; er müsse bleiben, sagte er, er sei 
uns sauvegarde, eine kommandierte Schutz 
wache. 
Endlich aber, durch die sorgsame Pflege 
gesund geworden, muß er auf Befehl mit 
einer alsbald eintreffenden Soldatenabteilung 
weitermarschieren. Den Abend, ehe er ein 
rückt, sitzt er im vertraulichen Gespräch mit
	        
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