Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1902 (1902)

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sie jemand beschäftigte und sich mit ihr 
etwas abgeben wollte. Man brächte sie von 
mancher Ünmanier vielleicht auch auf bessere 
Sitte, denn Katherl ist willig und von 
guter Gemüthsart. Aber du mein Gott, 
ich muss Ihnen das aufrichtig sagen, den 
Grubhofers geht jedes gern aus dem Wege. 
Ich nahm die Leute nur darum ins Haus, 
weil ich sie eben nicht kannte, Mietsparteien 
im Dorfe hier rar sind und man seine leeren 
Stuben doch mög 
lichst verwerten 
will. Und jetzt, was 
will ich machen? 
Mich dauert des 
Grubhofers Frau, 
weil sie nur mehr 
wenige Wochen zu 
leben hat. Total 
weg auf der Lunge, 
und auch sonst keine 
gesunde Faser 
ihr. Ist das einmal 
vorüber, dann 
kündige ich sofort 
dem Manne die 
Wohnung. O 
lein, das ist 
von der allergefähr 
lichsten Sorte, 
Hetzer und Stichler, 
ein Reformmacher 
' wider Gott und den 
Kaiser. Dabei grob 
wie ein Klotz auf die 
arme, gebrechliche 
Frau; übrigens ist 1 
auch sie, trotz ihrer Krankheit, noch immer 
eine bissige Zange. Zur Arbeit ist der Mann 
ein tüchtiger Kämpe, aber nirgends lange 
gelitten. Er war schon weit in der Gegend, 
landaus und landein, bei Bauten und 
Eisenbahnen, in Gewerken und Fabriken ; 
beschäftigt. Allerorten entlassen. Jetzt geht 
er hier zu den Bauern taglöhnern ringsum; 1 
es nehmen ihn freilich nur solche, die es 
selber so treiben, dass sie auf derlei Gauner 
anstehen müssen." 
Regine hatte mit keinem Worte die 
lange Rede der Hausfrau unterbrochen, 
denn was sie da über die Grubhofers sagte, 
war doch sicher anziehend genug, dass man 
nicht nur mit Interesse darauf hinhorchen 
musste, sondern sich auch lebhaft veranlasst 
fühlte, weiter nach diesen Leuten zu forschen. 
„Ein krankes Weib, ein verwahrlostes 
Kind, ehelicher Unfriede, Schuld, Elend 
und Noth, und vor allem der Mann „einer 
von der allergefährlichsten Sorte", ach so 
nahe, unter einem Dache mit diesen packenden 
Motiven zu leben, was ließen sich da für 
prächtige Studien 
machen! 
Frau Heider war 
noch nieder Einfall 
gekommen, ihre 
Mieter als inter 
essante Objecte zu 
nehmen; sie erzählte 
dies alles von ihnen, 
um ihr argloses 
Sommerfräulein 
freundlichst zu war 
nen, und war eben 
daran, demselben 
vom nächsten Nach 
barhause ein braves 
Taglöhnerweib zu 
empfehlen, als 
Regine voll Be 
stimmtheit die Ab 
sicht aussprach, 
gleich morgen früh 
zu den Grubhofers 
zu gehen, damit sie 
ihr das Kind für 
ein paar Stunden 
des Tages über 
ließen. 
„Nun ja, in der Zeit, die das Fräulein 
„Früh" nennt, ist wenigstens der Mann 
schon weit auf des Försters Kleeacker draußen; 
die kranke Frau wird keine Schwierigkeit 
machen," dachte Frau Heider, sprach aber 
diesen Gedanken nicht aus, denn nach ihrer 
Meinung sollten sich die alles besser wissenven 
Stadtleute nur immer gehörig die Nase 
anrennen. „Wenn mau schon dem Fräulein 
das Haupt der Familie so unverblümt 
zeigte, was tappte sie da noch in dieselbe 
hinein? — Gerade als ob sie es „justament" 
thäte."
	        
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