Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1902 (1902)

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8t. Marienkirchen o. A. Potenz 
zur Zeit äes Vroteftantismu«. 
Nach I. StülA, Musealblatt t8-tc», Nr. ^8. 
UH 
)ie ersten Spuren des Protestantis 
mus reichen bis zum Jahre 1559 
zurück. — Zur selben Zeit hatte 
Wolfgang Roß, ein alter, gebrechlicher Mann, 
dem auch infolge der hohen Jahre die nöthige 
Energie und erforderliche Durchsicht fehlte, 
die Pfarre St. Marienkirchen inne. 
Auf seinen Nachbarspfarrhöfen saßen 
Anhänger der neuen Lehre, wie z. B. 
Michaelnbach, Peuerbach und die Vogtei 
übte der Graf von Ortenburg als Herr von 
Erlach, der ein eifriger Protestant war. 
Unter solchen Verhältnissen ist es klar, 
dass Wolfgang Roß endlich dem Andrängen 
der Pfarrer von Peuerbach und Michaeln 
bach, welche von den Pflegern in Erlach 
und Dachsberg ausgiebige Unterstützung 
fanden, nachgab und mit dem Pfarrer 
Michael Straffer von Michaelnbach 1559 
einen Vertrag eingieng, wornach er diesem 
die Pfarre St. Marien gegen eine Wohnung 
im Pfarrhofe, eine jährliche Abfindung von 
Geld und Naturalien abtrat. 
Pfarrer Roß sah indes sofort ein, wozu 
er sich hatte überreden lassen und wendete 
sich um Schutz an den Propst Sigmund 
von St. Florian; auch die Pfarre that das 
gleiche, denn sie war mit dem wohl alten 
Pfarrer zufrieden und wollte keineswegs 
jenen von Michaelnbach. 
Die Ausführung des Vertrages wurde 
sonach nicht Thatsache und der katholische 
Pfarrer verblieb, sollte aber hiefür keine 
Ruhe mehr haben. 
Die Vogteiherrschaft Erlach benützte die 
Kränklichkeit und das Alter des Pfarrers 
als Vorwand, um demselben in der Person 
eines gewissen Hanns einen Hilfspriester 
zu setzen. 
Dieser Hanns war aber ein fanatischer 
Protestant und so geschah es bald, dass 
man im Ordinariate zu Possau auf sein 
Treiben aufmerksam wurde und von da aus 
n St. Florian dessen Entfernung betrieb. 
Hanns wurde vom Propste vorgerufen, 
aber die Zechleute, welche ihn dahin be 
gleiteten, nahmen sich seiner an, bezeichneten 
ihn als einen Mann untadelhaften Lebens 
wandels ; Hanns selbst sprach dem Propste 
das Recht ab, ihn zu entfernen, da weder 
er noch der Bischof auf ihn ein Recht haben. 
Die Vorladung Hannsens blieb fonach 
erfolglos, ebenso ergieng es ein zweitesmal. 
Die religiösen Zustände in St. Marien 
waren jedoch noch nicht so zerfahren, die 
Katholiken zumeist in der Mehrheit und so 
verließ Hanns die Pfarre wieder. 
So war Pfarrer Roß vom Prädicanten 
wieder befreit, aber der Funke glühte heim 
lich fort. 
Am Sonnenwendtag kam indes Hanns 
wieder, gerade als der alte Pfarrer die 
Kanzel zur Predigt besteigen wollte. Hanns 
stürmte in die Kirche, drängte Pfarrer Roß 
beiseite und bestieg die Kanzel zu einer 
Predigt. 
Hanns glaubte, sein Anhang wäre stark 
genug und forderte bei der hl. Wandlung 
des der Predigt folgenden Amtes, das Herr 
Pfarrer Roß hielt, die Leute auf, die Kirche 
zu verlassen, jedoch vergebens; niemand 
folgte seinem Aufruf. 
Nach dem Gottesdienste begab sich Hanns 
in den Pfarrhof, schimpfte den Pfarrer 
einen Dieb und Schelm und bedrohte ihn 
am Leben. 
Das rohe Benehmen kam zur Anzeige. 
Hanns erhielt den Befehl, St. Marienkirchen 
zu verlassen; den Zechleuten wurde befohlen, 
Hanns nicht zu dulden. 
Aber die Befehle blieben fruchtlos; 
Hanns predigte am Peterstage wieder, schalt 
in derselben heftig über den Pfarrer und 
beschwor die Leute, sich an ihn zu halten, 
er wolle für sie Leib und Leben geben. 
Der alte Pfarrer stieg bald gramgebeugt 
ins Grab und bei der Ohnmacht des Propstes 
und der Macht der Vogteiherrschaft von
	        
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