Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1902 (1902)

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Er kam. Mutter und Kind stürmten ihm 
entgegen. Mutter und Kind? 
Ja, auch das Kind! Auch das Kind! 
O seine Augen glänzten so hell und strahlten 
von Jubel und Seligkeit. Des Kindes Augen? 
Die Kunst des Arztes, noch mehr aber die 
Kunst der himmlischen Gnadenmutter hatten 
die Augen, die seit der Geburt geschlossen 
waren, geöffnet, das Kind sah. 
Und ans den Kindesaugcn leuchtete wie 
ein lieblicher, versöhnungsreiner Himmel das 
unschuldige Blau der Kinderseele in das 
thränenfeuchte Auge des Vaters. Annerl aber 
schlang um ihn die kleinen Aermchen und 
jubelte: 
Vater, Vater! — — 
In das neue Heim ist Friede eingezogen. 
Heinrich ist ein anderer Mensch geworden, 
die Familie wurde eine glückliche Familje. 
Und Gottes Segen ruhte auf ihr. Ab und 
zu kommt der alte Glöcklwirt ins Thal 
herüber zu den „Seinen", er empfindet es 
jetzt: Sie sind die Seinen. Heinrich aber hat 
gelobt, nie mehr dem Spiel und dem Trunk 
zu huldigen und er hält es treu, was er 
versprochen. — — — 
Beim Glöcklwirt ist heute Hochzeit. Der 
Müllerhans hat seinem Buben, dem Toni, 
ein Weib gesucht und die durfte niemand 
anderer sein als. Annerl. Er nannte sie noch 
immer . Annerl, obwohl sie schon stattlich 
und groß geworden. Das Band, das Paulin 
und Hans zu einer glücklichen Ehe hätte 
binden sollen, ist nun jetzt in den Kindern 
gebunden. Und beide nehmen den Segen der 
Eltern mit in ihren neuen Stand und das 
muss Glück bringen. Dass sie sich fanden, 
hat nicht das Geld und der Solz gethan, das 
hat die gegenseitige Liebe und Gottes Fügung 
gethan. Und auf solcher Ehe liegt Gottes 
Segen. 
Im Thal rauscht das Mühlrad und sein 
Rauschen klingt so eigen. Die Wasser rauschen 
und plauschen und ihr Rauschen und Plauschen 
klingt wie ein ewiges Lied. Gleich wie gestern 
und morgen singen die Wellen und Wasser: 
„Wir gehen vorüber." Gleich wie morgen 
und gestern geht das Mühlenrad: „Ich 
bleibe." Die Wasser kommen und gehen 
wie die Menschen, die Menschen gehen und 
kommen wie die Wellen. Die göttliche Liebe 
aber bleibt das große Rad, dort müssen alle 
Wellen vorüber, ob sie wollen oder nicht. 
Und Gottes Liebe ist unwandelbar. 
Sterrtermadjt 
enn hoch am Firmamente, 
Die gold'nen Sterne steh'n, 
Da scheint der Fimmel offen, 
Und Engel drinnen geh'n. 
Es liegt ein süßer Frieden 
In einer Sternennacht; 
Der Tag, der lärmend wilde, 
Er beugt sich ihrer Macht. 
Geheimnisvolle Wonne 
Das Menschenherz berührt, 
Das heiliger Sehnsucht Flügel 
Der Erdenwelt entführt. 
Und all die tausend Lichter , 
Erglühen vor dem Herrn, 
Der auf die stille Erde 
Herniederblickt von fern. 
K. Landsteiner.
	        
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