Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1902 (1902)

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Es hatte gestern geregnet und Vas feuchte, 
kurzgeschnittene Gras dampfte in der Sonne. 
Grubhofer lag ganz stille, fast schläferte ihn. 
Unter den Erlen stand auch ein Apfelbaum, 
ein Spätfrüchtling war's. Dieser streute 
seine letzten Blütenblätter über ihn aus; 
er streifte sie voll Unwillen ab. Vorne am 
Wege zogen laut und lärmend junge Bursche 
dahin; sie freute wohl der Sonntag und 
freute der Sommer, und sie sangen mit 
ihren frischen, wohlklingenden Stimmen: 
Und als er nach kurzer Frist mit diesem 
Mädchen vor dem Traualtäre stand, nahm 
er es auch mit weihevollem Herzen wie ein 
Gottesgeschenk aus der Hand des Priesters 
entgegen, wie ein Gottesgeschenk, das man 
wert halten muss, das man hegt und pflegt 
und wie ein liebes Kleinod beschützt und 
demzuliebe man auch wie ein braver, recht 
schaffener Mann leben und arbeiten will. 
Ja, so fromm und gut war ihm damals 
zumuthe gewesen, einen heiligen Schwur 
Dev Blurnenesrss irr Gnrrrrrösir. 
Die Plätte der Fra» Mankiewicz. Momentaufnahme von C. Jagerspacher in Gmunden. 
„Und hat Dir Gott ein Lieb beschert, 
Und hält'st Du sie recht innig wert, 
Die Deine: 
Es wird wohl kurze Zeit nur sein, 
Dann lässt sie Dich so ganz allein, 
Dann weine! ja weine!" — 
Grubhofer horchte auf. Er kannte das 
Lied und es gieng ihm zu Herzen. Auch 
er war einmal ein junger Bursche gewesen, 
da freute ihn auch der Sonntag wie diese, 
freute ihn der Sommer, die blühenden 
Bäume, o, alles freute ihn da. 
Auch ein Liebchen besaß er in jener 
glücklichen Zeit, und er blöder Thor, er 
Dummkopf meinte ja wirklich, der liebe 
Gott habe ihm dasselbe beschert. 
hatte er mit Mund und Herzen gelobt, es 
getreulich sein Lebenlang so halten zu wollen; 
und, bei allen Heiligen, er hatte auch un 
entwegt gelebt wie ein braver, rechtschaffener 
Mann, bis — ja bis er's erkannte, dass 
ihm nicht Gott dieses Weib bescheert, sondern 
I der Teufel ihm dasselbe in sein friedsames 
i Leben gehetzt. 
O dieses Weib! sie belog und betrog 
| ihn auf jegliche Weise, sie trat hohnlachend 
die eheliche Treue mit Füßen, machte ihn 
wieder und wieder zum Spielball frechen 
Gespöttes, bis er wie toll aus dem Hause 
lief, ein Schlemmer wurde, ein Säufer, 
ein schlechter Gatte und Vater und in die
	        
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