Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1898 (1898)

(135) 
nach der langen, in jeder Hinsicht unfrei 
willigen Pause das unter soviel Schweiß 
tropfen eingepaukte poetische Schlusswort 
seiner Rede sprach: 
Ein Hoch dem wackeren Kränzchen, 
Jetzt wieder zu Spiel und Tänzchen! 
und seine Singsanghausner aufforderte, den 
Rückmarsch des Festzuges zu arrangieren. 
* * 
* 
So stolz war auf seinem Bukephalos 
nicht einmal Alexander der Große durch 
die Welt gesprengt, wie der glückselige 
Haarschneider Hupferl auf seinem Radl. 
Und heute! — Der Verunglückte sitzt 
sprachlos in Bürgermeisters schöner Stube, 
drückt sein Haupt in das Lederpolster des 
Großvaterstuhles zurück und blinzelt mit 
den Augen wie ein Kater in der Sonne. 
Es ist zum ärgern und doch fühlt er sich 
nicht unbehaglich. Der Fuß schmerzt, denn 
der Hundebiss gieng tief und die Wunde 
braucht einige Tage recht sorgsame Pflege. 
Victor Hupferl spürt aber irgendwo anders 
eine weit schwerere Wunde, eine, von der 
er gar nicht wissen kann, ob die überhaupt 
jemals zuheilen wird. Er blickt plötzlich auf. 
Ist sie da? — Ach nein, es war nur ein 
Sonnenstrahl, was an ihm vorüberglitt 
und er meinte, es sei ihr goldenes Haar. 
Der wache Träumer zerwühlt seine tadel 
lose Frisur in geradezu unverantwortlicher 
Weise. Mir scheint, es ist um seine Seelen 
ruhe ganz und gar gescheh'n! Dass er denn 
gar so tölpisch gewesen! Er kann es schier 
nicht begreifen und es wäre doch nicht allzu 
so schwer. Er hatte sich eben in Bezug auf 
sich und sein „Radl" in eine falsche 
Sicherheit gewiegt. Nie und nirgends kommt 
er auf seiner Reise zum Fall, nur in dem 
Moment, wo er an ihr vorüberfährt, merkt 
er, dass er aus dem Gleichgewicht kommt. 
In seiner Verlegenheit greift er nach einem 
Halt und erwischt mit seinen ungeschickten 
Fingern ihr Haar, und was für eines! 
Die Friseuraugen leuchten. Bei der Mama 
hat er sich schon hundertmal deshalb ent 
schuldigt und bei dem lieben Fräulein, dem 
das Schelmenlachen so herzig steht, thut er's 
ohne Zweifel tausendmal. Wenn sie doch 
bald nachhause käme! Aber vor Anbruch der 
Nacht ist kein Drandenken, denn die Fest 
lichkeiten sind jetzt mitten im Gange und 
sie ist des Bürgermeisters Töchterlein. 
Er findet es von der Natur wunderbar 
eingerichtet, dass ihr Vater nur ein Bürsten 
binder ist. Da steht ja er seinem Gewerbe 
nach um etliche Staffeln noch höher. Ihr 
Vater braucht also nicht herabzusteigen und 
er nicht hinauf. 
Solche und ähnliche Gedanken wandern 
durch des Verwundeten Seele und der zerreibt 
sich dabei förmlich die Hände vor lauter 
Vergnügen. 
Es ist spät in der Nacht, da sagt Rost 
zu Rest, ihrem Dienstmädchen, die ihr beim 
Ablegen des Festkleides behilflich ist: „Was 
macht denn der Kranke"? 
Die Magd antwortet so rasch, als hätte 
sie die Frage ohnehin erwartet: „Dem geht 
es nach Gestalt der Sachen recht gut. Sie 
Fräulein, das ist ein bildschöner, feiner 
Herr". 
Fast schnippisch klingt die Entgegnung: 
„Was du schon wieder alles weißt. Ich hab' 
ihn nicht darnach angeseh'n". 
Sonderbar! Wie kann denn dann noch 
in derselben Nacht Rost träumen, dass von 
einem gräulichen Ungeheuer zu ihren Füßen 
ein Ritter zerrissen wurde, der dem ple 
bejischen Hupferl auf ein Haar ähnlich sah. 
Die Beiden sahen sich von da an täglich 
und fanden Gefallen aneinander. Sie selbst 
hatten sich das wohl noch nicht gesagt, aber 
weil es der Markt mit rührender Ein- 
müthigkeit behauptete, musste es unbedingt 
wahr sein. 
So entschwand eine Woche. Ein lauer, 
duftiger Sommerabend verleitete Rost und 
ihre Mutter zu einem Spaziergang. Sie 
wandelten ein Weizenfeld entlang, das ihnen 
mit seinen Aehren so bedächtig zunickte, als 
hätte es ihnen heute etwas ganz Besonderes 
zu sagen. Das wäre recht gut gewesen, dann 
hätten die Beiden doch Stoff zu einem 
Gespräch gehabt, so aber blieben sie einsilbig. 
Ohne dass sie es ahnten, kam hinter 
ihnen Hupferl des Weges, der zum ersten 
male wieder seine Maschine bestiegen. Er 
wollte recht flott dem Paare vorfahren, da
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.