Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1898 (1898)

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Angelegenheit dieser beabsichtigten 
Gründung, die einen wesentlichen 
Zweig des katholischen Pressvereines 
der Diöcese Linz bildet, hielt in der 
Generalversammlung desselben (28. April 
1897) das Comitsmitglied Herr Ferdinand 
Führer nachstehendes Referat als Vortrag, 
der hiemit allen verehrten Lesern in Stadt 
und Land aufs wärmste empfohlen wird. 
Wir bringen den Vortrag, der mit Beifall 
aufgenommen wurde, hier in einem verkürzten 
Auszuge. Der genannte Referent sagte: Welch' 
tiefgreifenden Einfluss die Lcctüre auf den 
einzelnen Leser und auf Haus und Familie, 
im weiteren Wellenkreisel auf Stadt und Land 
und in ihrem weitesten Wogenschlage auf die 
ganze menschliche Gesellschaft äußert, über 
diese, auf allen Katholikentagen und Vereins 
versammlungen anerkannte Thatsache brauche 
ich nicht mehr viel Worte zu verlieren. Sie 
leuchtet jedem Denkenden von selbst ein. Die 
Neuzeit hat aber Verhältnisse mit sich ge 
bracht, welche schärfer ins Auge gefasst 
werden müssen, Uebelstände auf dem Gebiete 
der Literatur, die in ihren Folgen das Blut 
unserer gegenwärtigen Generation geradezu 
„versäuern" können. Unsere Enkel werden 
ihren Ahnen nicht dankbar sein für dieses Erbe. 
Bei dem vermehrten Wissensdrange von 
heute, der alle Classen der menschlichen Ge 
sellschaft erfüllt, ist das Lesen ein dringendes 
und zwingendes Bedürfnis geworden. Der 
berühmte englische Staatsmann, Geschichts 
schreiber und Dichter Macaulay sagte: „Ich 
möchte lieber ein armer Mann in der Dach 
stube mit einem tüchtigen Vorrath von 
Büchern sein, als ein König, der nicht das 
Lesen liebte." Nun, der gute Macaulay 
hatte das nöthige Geld, um sich eine reiche 
Bibliothek einzustellen, er hatte auch das 
Zeug in sich, die für ihn passenden Bücher 
zu wählen; aber nicht jeder Bücherliebhaber 
ist ein Macaulay. Buch und Autor oder 
Verfasser stehen in Wechselwirkung und 
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inniger Beziehung zu einander. Ist der Ver 
fasser gut gesinnt, ein Charakter, so ist auch 
sein Werk als Ausdruck seiner Gesinnung 
im Inhalte wahr und edel, der literarische 
Wert ist dann Sache der ehrlichen Kritik 
und Prüfung; sein Buch wird für den geistig 
gesunden, gesinnungsverwandten Leser zum 
Labsal und Genusse, für den angekränkelten 
Gegner aber oft zur heilsamen Medicin oder 
er lässt in diesem doch wenigstens keine Zweifel 
an der Wahrheit zurück. Ist der Verfasser 
ein Mensch ohne Grundsätze der Religion, 
Gesittung und Herzensbildung, dann wird 
auch sein Buch, das er mit Gift und Galle 
geschrieben, schlecht, dessen Inhalt Lüge und 
Sünde sein, ja in den meisten Fällen ist 
sein Buch noch viel gefährlicher und ver 
derblicher als sein Verfasser, jeder Buchstabe 
kann zum Gifttropfen werden, den der ge 
dankenlose Leser ruhig und unbewusst seiner 
Wirkung einsaugt, jede Zeile kann zum Pest 
hauche werden für Haus und Familie, für 
Stadt und Land, jede Seite zum Verderben 
für Staat und Gesellschaft. 
Die Gelehrten forschen heute mit dem 
Mikroskop in der Hand emsig nach den Bacillen, 
welche als Krankheitserreger wie in allen 
Stoffen, so auch im Papiere hausen und auf 
dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der 
Ansteckung Masern, Scharlach und Blattern 
gift weiterverbreiten können. Der gefährlichste 
Bacillus, ein winziger aber giftgeschwollener 
Drache, sitzt schon tief in der Tinte des 
geistig und moralisch kranken Verfassers, 
bildet sich in der verpesteten Atmospähre 
der berühmten Dichterzimmer zur Papierlaus 
heran und wo diese beißt, und ihr ätzendes 
Gift in die empfängliche Haut eines dis- 
ponirten Lesers spritzt, da entstehen der häss 
lichste Ausschlag, die schwarzen Blattern des 
Lasters, die Pestbeulen des Verderbens, die 
Vorboten des moralischen Todes. 
Erwachsene, dann begriffsfähige Gebildete, 
die in der Schule des Lebens lesen gelernt,
	        
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