Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1898 (1898)

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bei der Großmutter; in der Schule, wo er 
sonst der aufmerksamste war, und auch jetzt 
auf dem Heimweg. „Eigentlich," dachte er 
sich, „hat die Großmutter es ohnehin besser, 
wenn sie im Himmel ist!" „Denn in den 
Himmel muss sie kommen." Und dann 
dachte er weiter, wie die „Ahnt" glücklich 
sein werde, wenn sie in den weiten Himmels 
saal eintreten wird, und wie ihr der liebe 
Gott zulächeln und ihr einen Platz anweisen 
werde, und wie es der Großmutter dann 
recht gut gehen werde; dann werde sie auch 
auf ihn nicht vergessen 
und den Himmelvater 
bitten: „Lieber Gott, 
lass' es nur dem Hans, 
meinem Enkel, nicht 
schlecht gehen, er wird 
auch das Seinige schon 
thun!" Ja, und das 
wird er auch; da soll 
die Großmutterunser'm 
Herrgott das Wort 
nicht umsteh'n*) dür 
fen. — Da war er 
schon zuhause. — Im 
Vorhause alles ruhig, 
in der Stube auch 
niemand! Aber im 
Stübchen der Groß 
mutter ! Die Thüre 
stand offen, Hans 
konnte aber trotzdem 
die Großmutter nicht 
sehen, denn rings um 
das Bett standen Leute. 
Die alte Müllerin sah 
jetzt der Knabe, und die 
Eltern, die standen am 
nächsten beim Lager; die Mutter reichte eine 
brennende Kerze hinzu, die Müllerin betete 
aus dem alten „Himmelschlüssel" der Ahnl, 
der neben dem Bett gelegen war, ja, der 
Hans sah's deutlich: „Die Großmutter geht 
zum Himmelvater." Eine unerklärliche bange 
Scheu hielt ihn draußen in der Stube fest, 
er getraute sich nicht ins Sterbestübel zu 
treten und hatte die Ahnl doch so gern. Es 
war das sich gegen den grausen Tod sträu 
bende junge Leben. Da hörte die Müllerin 
plötzlich zu beten auf, der Vater beugte sich 
nieder auf das Lager, und „sie hat es über 
standen"! hörte ihn Hans sagen. Wie an 
dächtig betete er jetzt mit, als alles sich um 
das Bett der soeben Gestorbenen kniete, für 
ihre Seelenruhe zu Gott zu flehen. Manches 
Ereignis aus seiner Jugendzeit wird Hans 
vergessen, tief dem Gedächtnisse eingegraben 
aber wird ihm bleiben der Ahnl Tod. 
Die ;wei Dögel. 
ch besitze zwei Vögel 
in einem Haus. Der 
eine heißt Hans und 
ist ein Kanarienvogel, 
der andere heißt Muckl 
und ist ein Blaukropf. 
Der Muckl ist Realist, 
der Hans Idealist. 
Wenn der Hans singt 
und schmettert, dass des 
Käfigs Stäbe sich 
schwingen, sitzt Muckl 
in stoischer Ruhe auf 
dem Sprossen, sieht 
mit einem bedauern 
den Blick hinauf zu dem 
Sänger (Hans wohnt 
nämlich im ersten Stock, 
Muckl dagegen eben 
erdig), senkt dann voll 
Ergebung den Kopf 
und lässt die Töne über 
sich erbrausen. Solche 
Schwärmerei begreift 
Muckl nicht, er singt 
niemals. Seit langem 
ist er dem Hans schon gram von wegen 
gestörter Nachtruhe. 
Wie der erste Strahl der Dämmerung 
leise sich ins Zimmer stiehlt, flötet der gelbe 
Sänger ihm entgegen und schlägt einen Lärm, 
als wär ein Dieb im Zimmer. 
Muckl hingegen pflegt spät aufzustehen, 
und so stört ihn Hansens Morgengesang 
immer im schönsten und besten Morgen 
schlummer. Seine Verstimmtheit darüber 
wird jeder begreifen, der schon einmal in 
ähnlicher Lage war. Wenn Dein Bett 
Moridus WMmtinger. y 
*) nicht untren werden.
	        
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