Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1898 (1898)

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Der Wüßer von Hfliach. 
Kine Kkostergeschichte. 
Bon Lsrdinnnd Löhrsr. 
der Urgebirgszone des öster- 
reichischen Alpenlandes Kärnten 
flutet der drei Stunden lange aber 
v ~" y schmale Ossiacher-See. Am Fuße 
der steilaufsteigenden Görlitzenalpe, deren 
dunkle Wälder sich in dem tiefgrünen Ge 
wässer spiegeln, zieht die Bahnlinie nach 
der nahen Stadt Villach dahin. Der Pfiff 
der Locomotive schrillt in die Landschaft 
hinein. Ein fröhlich' Hirtenbüblein jauchzt 
dem Dampfrosse zu und auf dem Wiesen 
plan drehen die neugierigen Rinder ihre 
breiten Köpfe und schauen mit ihren großen 
Augen dem dahinrasenden Bahnzuge nach. 
Schnell verstummt das Getöse und stille 
Schwermuth liegt wieder auf den Gewässern 
und auf den lieblichen Ufergeländen. Diese 
träumen ja von längst vergangenen Tagen, 
von Klosterfrieden, von Gottesfrieden, der 
durch ein Jahrtausend über das Seethal 
ausgegosfen war. 
Am Südufer, dort wo der Seespiegel 
am schmälsten ist, erhebt sich — heute noch 
ein gewaltiger Bau — die einstige Benedic- 
tinerabtei Ossiach, die ein Graf Ozzius im 
Jahre 750 n. CH. gegründet und die dem 
früher so weltvergessenen See Namen und 
Bedeutung gegeben hat. 
Wer wollte es denn leugnen, dass im 
Mittelalter, wie überall in Europa, so auch 
im Lande Kärnten Wissenschaft und Bildung 
anfänglich einzig und allein aus der stillen 
Klosterzelle in die Welt hinausgedrungen 
sind? Mit der einen Hand trugen die 
Mönche das Kreuz, streuten lehrend und 
bekehrend den Samen des Christenthums aus, 
mit der anderen trugen sie Axt und Säge, 
legten die Keime zu jener Cultur, deren 
sich heute die menschliche Gesellschaft und 
in dieser auch die verbissensten Gegner des 
Christenthums erfreuen. Wo die Mönche 
des Mittelalters, freilich oft unter den größten 
Gefahren von wildem Gethier und anderen 
Schrecknissen des Waldes einen Fuß hin 
setzten, da wurde wie auf einen Zauber 
schlag die frühere Einöde zum blühenden 
Garten, wo sie ihre Hand ausstreckten, da 
verwandelte sich die Wildnis zum frucht 
baren Gefilde. So hielten es auch die 
Söhne des heiligen Benedict in ihom Kloster 
zu Ossiach, das bald eine Pflanzstätte der 
Cultur, der religiösen und sittlichen Bildung 
des Volkes wurde, ein Leuchthurm am See, 
der sein Licht weithin erstrahlen ließ, bis 
der Klostersturm unter Kaiser Josef II. es 
auslöschte. 
An der nördlichen Mauer der einstigen 
Klosterkirche erzählt uns eine Inschrift — 
wenige Worte sind es — auf einer ver 
witterten Kalksteinplatte, auf der ein ge 
satteltes Pferd eingemeißelt ist, wie ein im 
wilden Schmerze aufzuckendes Menschenherz 
in den stillen Klostermauern von Ossiach 
jenen Frieden gefunden, den ihm die geräusch 
volle Welt draußen nicht geben konnte. Diese 
Geschichte sei hier erzählt. 
Es.war an einem Spätsommermorgen 
des Jahres 1079 n. CH. Draußen flutete 
der See, damals noch so einsam, so welt 
vergessen, so schmerzvoll ruhig. Die Wellen 
schlugen an die Planken einer am Ufergelände 
stehenden Schiffshütte hinan, aber so leise, 
als wollten sie sich murmelnd begrüßen. 
Draußen auf dem Gewässer lag es wie Duft. 
Hie und da wurde ein Kahn sichtbar, scheinbar 
festgeankert und doch immer weitertreibend 
wie ein unstät' Menschenleben. Lustige Vögel 
strichen über den Seespiegel, tolle Fische 
schnellten aus der Flut. Die Klosterfischer 
fahndeten in dem nassen Elemente nach Beute. 
Das Kloster Wappen von Ossiach mit den 
drei übereinandergestellten Lachsen deutet ja 
auf den altberühmten Fischreichthum des 
Sees. Valvassor, der Topograph des alten 
Kärntens und Krams, schrieb ja: „Sonst 
ist das bemerket worden, dass, so oft ein 
fremder Fürnehmer oder Potentat in das 
Kloster kommen, im selbigen See ein extra- 
ordinari großer Fisch jederzeit gefangen 
worden, welches Glück aber zu andere Zeiten 
sich niemals begibt". — Auch an diesem
	        
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