Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1898 (1898)

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treten. Der adelige Nachbar war aber selbst 
ein gewaltiger Nimrod vor dem Herrn und 
eine richtige Auerhahnpirsch seine Leiden 
schaft. Auch zu dieser Stunde war er im 
Walde; als er aber die beiden ihm ganz 
fremden Officiere mit der Büchse in der Hand 
auf seinem Reviere und noch dazu auf der 
Auerhahnjagd traf, trat er heftig ergrimmt 
auf den Kaiser zu und keuchte: 
„Gibt es denn keine Gesetze mehr hier 
zu Lande, dass der nächst Beste ungestraft 
auf fremdem Reviere jagen darf? Wer sind 
Sie, junger Herr?" 
„Officier," antwortete der Kaiser gelassen. 
„Das sehe ich, ich ersuche um Ihren 
Namen," fuhr der Gutsherr fort: 
„Franz" lächelte der Kaiser. 
„Ich bitte um den ganzen Namen." 
„Nun, meinetwegen noch Josef," war 
die ruhige Antwort. 
„Also, Herr Josef Franz, ich werde mich 
bei Seiner Majestät über Sie beschweren," 
sagte der Gutsherr drohend. 
„Ich komme heute selbst noch nach Wien 
und kann die Klageschrift mitnehmen, soll 
bestimmt in des Kaisers Hände kommen, denn 
Recht muss Recht bleiben," sagte der Kaiser 
in einem bestimmten Tone, der dem Edel 
manne etwas auffiel. Auf Drängen desselben 
sollten die Officiere die Gewehre abliefern, 
was aber der Kaiser nicht zugab, sondern den 
Vorschlag machte, die Gewehre nur in der 
Wohnung des Jagdherrn aus freiem Ent 
schlüsse abzugeben. Dieser willigte ein und 
in wenigen Minuten war auch das nahe 
lieg ende Herrschaftsgut erreicht. Die Officiere 
begrüßten die Frau des Edelmannes, welche 
nnt nicht geringem Erstaunen die beiden Be 
gleiter ihres Gatten betrachtete. Dieser sagte 
in mürrischem Tone: 
„Diese zwei Herren haben mir den Auer 
hahn verjagt, den ich mir zum Taufschmaus 
unseres Neugebornen aufgespart habe, werde 
mich aber bei Seiner Majestät in einer Klage 
schrift beschweren." Als der Kaiser diese Worte 
vernommen, trat er zu einer offenen Wiege 
hin, in welcher ein holdes Kindlein schlum 
merte. Lächelnd neigte sich der Kaiser über 
dasselbe mit den Koseworten: 
„Das ist ja ein allerliebster Engel, ge 
radezu vom Himmel auf die Erde herab 
gekommen." Mit solchen Worten musste der 
fremde junge Officier ein Mutterherz für 
sich gewinnen und damit hatte er alles ge 
wonnen. Lächelnd sagte die Frau zu ihrem 
gestrengen Gatten: 
„Es ist wahrhaft um den verflogenen 
Vogel nicht schade. Ein Auerhahn mag wohl 
die Wonne eines Jägers, die Freude eines 
waidmännischen Hausherrn sein, er ist aber 
die Qual und Pein der kochenden Hausfrau, 
denn ob ein Auerhahn gebeizt oder gespickt, 
gedämpft, mit dem Reibeisen zerfetzt oder 
mit dem Würgmesser zerhackt ist, immer ist 
sein Fleisch hart wie Rinde, zähe wie Leder 
und trocken wie Bohnenstroh, mit Einem 
Worte, kein Taufschmaus. Mir haben die 
Herren Jäger mit der Flucht des Vogels 
die größte Freude bereitet und schon deshalb 
musst du sie auf ein Frühstück einladen." 
Die warmen Worte der Gattin hatten die 
Eisrinde um das Heiz des Edelmannes ge 
schmolzen und in der nächsten Minute saßen 
die Herrn Officiere an dem wohlbesetzten 
Frühstückstische. Der Morgen hatte sich 
inzwischen aufgehellt und mit dem zuneh 
menden Lichte verschwanden auch die schwar 
zen Schatten auf der Stirne des wieder be 
sänftigten Edelmannes. 
„Männchen," lächelte die Frau schmei 
chelnd, „ich meine, du brauchtest deine Feder 
nicht mehr in Galläpfeltinte zu tauchen, um 
eine Klageschrift gegen unsere Herren Gäste 
aufzusetzen." 
„Da hätte der Kaiser viel zu thun, wenn 
er von solchen Lappalien Notiz nehmen wollte 
und sollte. Die Sache ist abgethan, ich will 
mich um einen besseren Taufschmaus um 
sehen," entgegnete der Edelmann. 
„Danke sehr für die Nachsicht," sagte der 
Kaiser, „ich möchte mir aber noch eine Gunst 
ausbitten, nämlich, der Taufpathe Ihres 
Kindes sein zu dürfen." Die Frau reichte 
dem Gaste erfreut die Hand und sagte: 
„Ich nehme Ihren Antrag mit Vergnügen 
an; meine jüngste Schwester kommt von Prag 
als Gevatterin, deshalb verschoben wir die 
Taufe auf den nächsten Sonntag. Wenn Sie 
aber gerade Dienst haben?" 
„O, nein, gewiss nicht; ich werde mich 
unter allen Umständen frei machen; wenn
	        
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