Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1897 (1897)

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Ein eitles Kind, ein armes Kind. 
Erzählung von £. I. Vermanschläger. 
(dtachdruck verboten.) 
i. 
er weltberühmte 
Curort Ischl 
trägt im Som 
mer das Ge 
präge der 
Großstadt, 
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Mauern fein 
ruhig und sitt 
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beizukommen. 
«mu>vuvy .vyn |ny nrcyl oaran, er ist ein 
munteres Kind der Berge und die wollen von der 
langweiligen Etikette nichts wissen. Mit lautem Un 
gestüm wirft er sich der Traun in die Arme, dass 
die schier zornig aufbraust. Und wer ihn erst in der 
„Wildnis" sehen kann. Ta tollt und hüpft der junge 
Wildfang über Stock und Stein mit einem Gesaus, 
dass den alten Föhren und Tannen die grauen zot 
tigen Bärte vor Entrüstung ordentlich knistern. Mit 
gar zu neugierigen Augen darfst du ihn aber nicht 
begucken, sonst bespritzt er dich mit seinem flockigen 
Schaum und überschlägt sich vor Vergnügen, wenn 
du mit triefendem Gesichte vor ihm stehst. Zur Strafe 
dafür muss er ein Viertelstündchen weiter unten das 
schwere, ewig knarrende und knurrende Rad einer 
Mühle treiben. Er thut es, weil er sich nicht helfen 
kann und schäumt dabei vor Ingrimm über den auf- 
gezwungenen Knechtdienst. Die Menschen aber, diese 
schadenfrohen Crraturen, sehen ihm zu, wie er sich 
wüthend aufbäumt und lachen ihn aus. So macht es 
gerade jetzt die Sepherl, die Magd von der Retten 
bachmühle, ein zierliches Ding mit Schelmengrübchen 
in den vollen rosigen Wangen. Kichernd ringt sie das 
letzte Stücklein Wäsche aus, das ihr der missmuthige 
Bach entreißen wollte und sie im letzten Momente 
noch erhascht hatte. Dann kehrt sie ihm schnippisch 
den Rücken, bückt sich nach dem gefüllten Korb zu 
ihren Füßen, hebt ihn mit raschem Schwung auf den 
Kopf und trippelt zum Garten hinauf, der mit seinen 
Bäumen ein paar in die Erde gerammte Tische und 
Bänke überschattet. 
Dasselbe Ziel verfolgt eine kleine Gesellschaft, 
deren äußerst stilvolle Bauerntracht auf niemand an 
dern als auf Großstädter schließen lässt. Und siesind auch 
Banquierstöchter aus Wien, die drei blasswangigen 
Fräuleins mit dem grellrothen Kittel und der blitz 
blauen Schürze und dem spitzen, federnumflatterten 
Strohhut. Der klapperdürre Herr, der neben ihnen 
in ledernen Kniehosen und grünen Wadenstrümpfen 
daherschlottert, bei jedem Schritt die Gesichtsmuskeln 
verzerrt, weil er die „zwieg'nathen Scheankenschuhe" 
noch nicht gewohnt ist und alle Augenblicke über den 
klafterlangen Bergstock stolpert, mit dem er den Weg 
anspießt, ist ihr Bruder. Die rundliche, in knatternder 
Seide steckende Mama von der Stelle zu bewegen, 
diese etwas schwierige Aufgabe hat ein hochgewachsener, 
kräftig gebauter Mann übernommen. Er trägt einen 
eleganten, gut sitzenden Touristenanzug und hat sich 
den Künstlerhut genial auf die pechschwarzen Locken 
geworfen. Wäre nicht der süßliche Zug um den 
Mund, der dem Gesichte die männliche Würde nimmt, 
seinen Kopf müsste man interessant nennen. 
Die Menschengruppe geht ruhig ihres Weges. Sie 
hat sich schon müde geredet, denn das sogenannte 
„Geistreicherln" kann bisweilen zu einer recht sauren 
Arbeit werden. Plötzlich bleiben Alle mit einem halb 
lauten Ruf der Ueberraschung steh'n. Hat sie eine 
schlimme Hexe „gebannt?" Ja, ja ein Hexlein ist's, 
aber keines mit.Runzeln und Falten in der ver- 
schrumpften Pergamenthaut, sondern ein blutjunges. 
Mit der Sepherl sind sie gerade vor der Mühle zu 
sammengestoßen. Das kluge Dirnlein hat es natürlich 
sofort heraus, warum die Sommergäste so verblüffte 
Gesichter machen. Sie weiß, dass sie schön ist, über 
raschend schön und das ist eben das Unschöne an 
ihr. Kokett ist sie auch nebenbei und darum wirft 
sie den Angekommenen nur einen flüchtigen Blick zu 
und fährt dann wie der Blitz mitsammt ihrem Korbe 
zur Hausthüre hinein. „Da steh'n wir," ruft endlich 
der Künstler belustigt aus „und schau'n so märchen 
dumm drein, wie die Kinder, denen im dämmrigen 
Waldgrund die Fee erschien, einen Klaps auf die 
Nase gab und dann verschwand. Kehren loir zurück 
zum praktischen Leben und setzen wir uns zu einem 
Kaffeetratsch an die Tische, der verscheucht jede spuk 
hafte Poesie und macht uns mit einem Schlage wieder 
nüchtern!" 
Höchst ungnädig entzieht die gnädige Frau ihren 
Arm dem ungalanten Sprecher und: „Sie sind ein 
abscheulicher Mensch, Herr Professor!" kreischt sein 
niederschmetterndes Urtheil der jungfräuliche Dreibund. 
Nur der schlimme Bruder findet den Ausspruch 
„gletscherhaft großartig" und schiebt als der erste 
seine wunden Beine hin auf die Holzbank. 
Es dauert übrigens keine fünf Minuten, haben 
sich auch die Andern niedergelassen und die Plauderei 
beginnt.
	        
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