Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1896 (1896)

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hat der meist lehmgelbe Donaustrom auch die schwarz- 
flunge Jlz aufgenommen und fließt von dort ab in 
den österreichischen Landesfarben als „schwarzgelber" 
vaterländischer Strom in die uralte Ostmark ein. 
Ungeduldig wiegt sich der Dampfer auf den Wogen, 
doch nur Geduld, lieber Leser, denn trotz der Schnel 
ligkeit des Dampfers brauchen wir für die projectierte 
Donaureise von Passau bis Grein, also von West 
nach Ost durch unser liebes Heimatsland Oberösterreich, 
volle zwei Jahre, das heißt, die Schilderung der Reise 
wird in zwei Jahrgänge des großen „Press 
vereinskalenders" vertheilt, zumal auch die 
malerischen Ufer an deinem entzückten Auge wie ein 
stets wechselndes, aber immerfort reizvolles Wandel 
bild vorüberziehen sollen, Geduld bringt ja Rosen. 
Stempeldiebe gab es noch nicht — bedienten sich dieses 
„Postschiffes" nicht, da dessen Fahrt durch mannig 
fache, elementare oder sonstige Hindernisse öfter unter 
brochen wurde als heute die Fahrt eines österreichischen 
Lloyddampfers nach Ostindien. Da mussten die Schiffer, 
die selbst häufig „benebelt" waren „Windfeiern", dort 
wieder an renommierten Quellen die nöthigen Quan 
titäten an Bier und Most einholen, hier auf einer 
Sandbank zwei Tage liegen, dort auskramen oder 
einladen. Eine gar bunte Gesellschaft hockte damals 
auf dem schiefen Dache der „Ordinari." Fromme 
Pilger mit Stab und Muschelhut, die durch das 
Ungarland nach dem Oriente wallten, Wallfahrer 
nach den Gnadenorten Pöstlingberg und Maria 
Taferl beteten stille für sich. Handwerksbursche, 
LngStHrrrtszstl. 
Der Leser möge daher nicht versäumen, sich auch 
den nächstjährigen großen „Pressvereinskalender" als 
Führer und Erzähler für die Donaustrecke II von 
Linz bis Grein anzuschaffen. 
In jenen Zeiten, „als der Großvater die Groß 
mutter nahm", kannte man überhaupt keinen Salon 
dampfer „Kronprinz Rudolf", „Marie Valerie", 
„Minerva", nicht einmal ein Localschiff als Transport 
mittel zu Wasser. Damals fuhr der Passagier, vor 
nehm und gering, auf der „Ordinari." Diese war 
ein hölzernes Warenschiff größerer Bauart, das an 
bestimmten Tagen von Ulm, Regensburg, Passau oder 
Linz nach Wien abfuhr. Damals bediente sich dieser 
Arche Noahs die ganze reisende Welt/ die Wien oder 
dem Oriente zusteuern wollte; nur Couriere euro 
päischer Höfe, die an Metternich eine dringende Bot 
schaft zu überbringen hatten, flüchtige Caffiere — 
echte „Brüder Straubinger" mit Knotenstock und 
Lederhut, fanden sich da aus allen 32 deutschen Bundes 
staaten zusammen, da Deutschland anno „Ordinari" 
noch nicht einig war unter der — preußischen Pickel 
haube. In 32 verschiedenen „Zungen" von der „west- 
phälischen" und „Gothaer" bis zum gepöckelten spitzen 
Züngelchen des Berliners sangen sie damals nicht 
„das deutsche Vaterland", sondern einstimmig ,,s' gibt 
nur a Kaiserstadt, s' gibt nur a Wien, dort muss es 
prächti sein, dort möcht i hin." 
Da und dort auf den Kisten und Fässern, abseits 
von den Burschen, saßen schwäbische, bayerische und 
oberösterreichische Dirnen mit frischen, rothen Wangen, 
die derselben in den „Tuberkelburgen" der Residenz, 
wie die 4° bis 5stöckigen Häuser Wiens im Volks 
munde spottweise hießen, schnell los werden wollten. 
Damals gab es in Wien noch keine wafferspeienden
	        
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