Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1890 (1890)

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in dieser Art herzustellen. Man brauchte deshalb 
keine Sorge zu haben, (wie man vor der Restauration 
oft hören konnte), dass dieselben etwa imitirt und 
umgetauscht werden könnten. Alle neueren Gemälde 
fenster wirken bei greller Beleuchtung blendend auf 
das Auge, während diese alten den Sonnenstrahl voll 
kommen brechen und beim grellsten Lichte in jeder 
Richtung einen wohlthuenden Anblick gestatten. Die 
besagten Fenster stammen weder aus derselben Zeit, 
noch aus der gleichen Meisterhand. Aus der frühesten 
Periode stammt das mittlere, welches biblische Scenen 
aus dem Leben der beiden Kirchenpatrone darstellt. 
Zwischen dem Abendmahle und den vier Evangelisten 
im unteren Drittheile ist die eigentliche Ueberschrift 
dieses Fensters zu ersehen: Adjuvat orantes 
patronus Joannes uterque (es stehen den 
Betenden bei als Patrone die beiden Johannes). Aus 
dem Leben de^ hl. Joannes Ev. ist entnommen: 
seine Berufung zum Apostelamte, die Segnung des 
Gifttrankes, die Verbannung auf Pathmos und sein 
Martyrium, wie er in dem Kessel voll siedenden Oeles 
sich befindet. Im oberen Theile findet sich aus dem 
Leben des Johannes B. dessen Geburt, sein Leben 
in der Wüste, die Taufe Jesu im Jordan und seine 
Enthauptung. In den zwei Vierpässen des Maßwerkes 
ist rechts der Pelikan, wie er mit seinem Blute die 
Jungen nährt (Sinnbild der Liebe Jesu Christi) und 
rechts der Löwe, der dem jungen das Leben einhaucht 
(Sinnbild der Auferstehung), im dritten Vierpass 
endlich das Haupt Christi, eine echt christlich-symbolische 
Darstellung, wie man sie in den ältesten Kirchen ent 
weder über dem Portale oder am Presbyterium findet. 
Das linksseitige Fenster bildet leider kein geordnetes 
Ganzes, wie die übrigen zwei, gibt aber den unbestreit 
baren Beweis, dass einstmals im ganzen Presbyterium 
Glasgemälde mit biblischen Darstellungen vorhanden 
waren Ganz außer allem Zusammenhange finden sich 
die Bilder aus dem Leben Salomons, die Geburt 
Christi, Epiphanie (hl. drei Könige), der brennende 
Dornbusch (Moses zieht die Schuhe aus) und der hohe 
Priester im Tempel. Aus einem zweitheiligen Fenster 
stammen die sechs allegorischen Darstellungen: Superbia, 
gebeugter Kopf mit Pfauenfedern geschmückt (Hoffart), 
burnilitas im violetten Gewände (Demuth), prudentia 
mit dem Spiegel (Klugheit», eastitas mit abwehrender 
Handbewegung (Keuschheit), abstinentia mit auf den 
Mund gelegten Finger (Enthaltsamkeit), Justitia 
mit Wage und Schwert und verbundenen Augen 
(Gerechtigkeit). Auf tiefrothem Teppichgrunde reihen 
sich neun Prophetenköpfe mit Schriftbändern an; auf 
letzteren sind die Namen: Moyses, Job, Malachias 
Osee, Ezechiel, Daniel, Jeremias, Jsaias und Zacharias 
zu lesen. 
Das formvollendet st e und schön st e 
Glasgemälde enthält das rechtsseitige 
Fenster. Es ist ein kunstreich ineinander geflochtenes 
Gewebe von Aesten und Zweigen und Blättern und 
Reben auf dunkelrothem Grunde. In der Mitte zieht 
sich der Hauptstamm des Paradiesbaumes hindurch, 
dessen größere Aeste die zierlichen Rahmen der Figuren- 
Medaillons bilden. Der Sündenbanm gestaltet sich in 
dem großen tiefblauen Medaillon zum Kreuzesstamm 
und verliert sich in allmähliger Verjüngung in den 
Blättern und Trauben der Schlussfelder. Die ersten 
drei Felder zeigen uns Adam und Eva, wie sie von 
der Schlange überlistet im Begriffe stehen, von der 
Frucht des Baumes zu essen. Die folgenden sechs 
stellen Bilder aus der Leidensgeschichte dar: Jesum 
am Oelberg, den Verrath des Judas, die Verurtheilung 
vor Pilatus, die Geißelung, die Dornenkrönung und 
Kreuztragung. 
Alle Pracht und Kunst concentrierte der Meister 
auf die Kreuzigungsgruppe; dieselbe umfasst auf sechs 
Feldern in größeren Figuren Christum am Kreuze, 
rechts den hl. Joannes, den römischen Hauptmann und 
einen Pharisäer, links die hl. Mutter Jesu, mit zwei 
anderen Frauen. Die übrigen Felder enthalten die 
Kreuzabnahme, die Grablegung, die Erscheinung Jesu 
in der Vorhölle, Begegnung der Magdalena und 
Himmelfahrt. Im Schlussvierpass steht das Lamm 
mit der Fahne. Ganz originell ist die erwähnte 
Erscheinung Jesu in der Vorhölle. Der Heiland 
reicht dem Adam und der Eva, welche aus einer halb 
offenen Thüre eines Hauses heraustreten, die Hand, 
sie gleichsam begrüßend und herausführend. Die zweite 
Hälfte dieses Hauses besitzt keine Thüre und kein 
Fenster, sondern ist gefängnisartig mit einem Eisen 
gitter umschlossen; innerhalb desselben speien mehrere 
Teufel Feuer aus ihrem Drachenmunde gegen Christus 
und zerren voll Wuth mit ihren Krallen an den 
Eisenstäben (eine symbolische Darstellung der Glaubens 
wahrheit: ex inferno nulla redemptio, aus der Hölle 
gibt es keine Erlösung). 
Die übrigen Fenster (groß und klein 43 Stück) 
sind iu Butzenscheiben mit färbigen Zwickeln aus 
geführt, nur das Presbyterium erhielt Kathedralglas, 
um den Uebergang von der alten Glasmalerei zu ver 
mitteln. In den zwei großen Fenstern über den Sacristei- 
Eingängen ist das tausendjährige Jubiläum verewigt. 
Auf der Evangelienseite findet sich innerhalb des 
Landes- und Diöcesan-Wappens die Schrift: „888 
ecclesia ad 8. Joannem B. primurn historice com- 
memorata“ (888 wird die Kirche zum hl. Johannes 
dem Täufer zum erstenmale urkundlich erwähnt). 
Auf der Epistelseite correspondiert innerhalb des 
Wappens der l. f. Stadt Wels und des Stiftes Krems 
münster: 1888 (ecclesia) ad St. Joannem Ev. 
pietate benefactorüm fünditüs restaurata Augusto 
Heilmann, Concil, dec. ac par. civil. Wels. (1888 
ist die Kirche zum heil. Johanes Evangelist*) 
durch den frommen Sinn der Wohlthäter vom Grunde 
aus restauriert worden unter August Heilmann, 
Consistorialrath, Dechant und Stadtfarrer in Wels.) 
Die Firma: Geylings Erben in Wien, welche 
die alten Glasgemälde vorzüglich restaurierte und alle 
übrigen Fenster neu herstellte, hat sich in Bezug auf 
Preise und genaue Einhaltung des Lieferungs-Termines 
äußerst reell und solid erwiesen. 
Noch erübriget uns das Gebiet der Biltmerer 
(Seulptur). Im Jahre 1856 siel der erste Axthieb auf 
den Hochaltar, das classische Bretterwerk, das nach 
200jähriger unberechtigter Existenz trotz der Pracht 
seiner nichts tragenden Rieseusäulen und Simse und 
*) Warum und wann der Wechsel des Kirchenpgtrones 
geschehen ist, kann urkundlich nicht nachgewiesen werden.
	        
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