Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1886 (1886)

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Steine in den Weg geschleudert. Es bezwang ihn 
nicht, wie David einst den Riesen, aber seine Welle 
hat es doch gestaut: ein gar trautes Flecklein Erde 
ward den Fluthen abgerungen. Bald kant nun der 
Mensch herbei und baute seine Hütte da. Speise bot 
der Fischreichtum der Donau, und das klare Zauber 
bächlein des süßen Wassers Labetrunk. 
Im grauen Altertum, so berichtet uns die Sage, 
standen nur einige Fischerhütten an der Stelle. Doch 
sie waren nicht so harmlos, wie man meinen sollte: 
ihre Bewohner lernten auch das Handwerk der Raub 
ritter auf den Donanburgen bald und übten es an 
gar manchem Fahrzeug. Wer sollte sie d'ran hindern?. 
Herab gegen Linz ragten die nackten Granitwände in 
die Donau hinaus und Flussaufwärts deckten Wald 
und Fels die ungangbaren Ufer. Den Rücken aber 
schützte weit und breit ein dichter, unheimlicher Wald. 
„Hexen und Zauberinen haben dort gehaust" erzält 
noch heute gruselnd so manches biedere Männlein, und 
daher führt die ganze Gegend noch jetzt den Namen 
Zauberthal. 
Das Christentum trug aber auch in diese roman 
tische Landschaft seine Segnungen: Der Gräuel machte 
frommem Sinn und keuscher Sitte Platz. Die wenigen 
armen Bewohner des Fischerdörfchens am Donau 
strome erwälten die heilige Margaretha zu ihrer 
Schutzpatronin und erbauten Ihr zur Ehr' und sich 
selbst zur Wehr eine Kapelle. Sie stand dort, wo 
heute die Reichsstraße nach Wilhering und die Leon 
dingerstraße eine scharfe Ecke bilden. Die Heilige also 
gab dem Orte den Namen. 
Warum man gerade diese Heilige zur Schutz 
patronin gewält, ist nicht bekannt, aber doch vielleicht 
nicht allzu schwer zu sagen. Hören wir ihre Lebens 
beschreibung. 
Die hl. Margarita (Perle), gewöhnlich Marga 
retha genannt, war die Tochter eines angesehenen 
Götzenpriesters zu Antiochia in Kleinasien. Zur Zeit, 
als der römische Kaiser Diokletian die Christen blutig 
verfolgte, sollte Margaretha den stolzen und reichen 
Statthalter Olibrius von Pisidien heiraten. Sie aber 
wies seine blutbefleckte Hand um so mehr mit Abscheu 
zurück, als sie ja heimlich Christin geworden, und 
Christo dem Herrn ewige Jungfrauschaft geschworen 
hatte. Die gottbegnadigte Jungfrau wurde nun auf's 
grausamste gepeiniget und mit Wunden bedeckt in 
einen Kerker geworfen. „Hier," so sagt das Martyro- 
logium, „hatte die christliche Heldin einen neuen Kampf 
zu bestehen; denn es erschien ihr der Satan in der 
Gestalt eines ungeheuerlichen Drachen, wie ihn der 
hl. Seher beschreibt, und stürmte mit aufgesperrtem 
Rachen gegen sie heran, als wollte er sie verschlingen. 
Margaretha aber verlor den Muth nicht, machte mit 
der Hand das mächtige Zeichen des hl. Kreuzes, und 
siehe! heulend entwich das Ungetüm." Deshalb wird 
die Heilige abgebildet in der einen Hand das Kreuz 
haltend, mit der andern an einer Kette einen Drachen 
führend. 
Das böse Wegelagern und räuberische Anfallen 
harmlos auf der Donau Herabfahrender und der Glaube 
an das Treiben der Unholde im Zauberthale sammt 
all' den abergläubischen Anhängseln sind wol der Drache, 
der hier unter St. Margarethas Beistand zu bekämpfen, 
zu besiegen war und — glücklich besiegt wurde. 
Je mehr die Wildnis am felsigen Donauufer 
schwand und auch vom Land herein die Cultur im 
Zauberthal vordrang, desto mehr vergrößerte sich 
St. Margarethen. Fischerei auf der Donau, Holz 
arbeit im nahen Kürnberge, das Ueberfuhrrecht an's 
jenseitige Ufer und kleine Oeconomien, insoweit sie der 
schmale, nrbargemachte Streif zwischen Fluss und Berg 
erlaubte, bot der friedlichen Bevölkerung eine gesicherte 
Existenz. 
* 
* * 
Um diese Zeit liess sich nach einer glaubhaften 
Sage etwas oberhalb St. Margarethen, jenseits des 
Baches, in einer Felsschlucht ein Einsiedler nieder. 
Man wusste nicht, woher er kam, noch wer er war. 
Hätte man in den Hütten unten am Strome nicht 
manchmal seinen Gesang zum Lob und Preise Gottes 
vernommen, man hätte kaum gewusst, dass da oben 
Jemand hause. Selten wurde er gesehen, nie hat er 
Wen belästiget. Doch bei Kranken und Sterbenden 
fand er sich sehr häufig ein. Vor seiner Klause hatte 
der freinde, gute Mann ein Kreuz und stundenlang 
kniete er vor demselben; in der Schupfe zwischen Felsen 
und Gestrüppe schien er seinen Schatz zu haben — 
doch eine gewisse Hoheit, eine fast unnahbare Würde 
hielt Jedermann von dort zurück. Nach einem langen 
Leben, reich an Entbehrung aller Art, an Wolthun 
und Gebet, starb der hl. Alte und ward unter Thränen 
der St. Margarethner unten am Donaustrande, im 
Heiligtum St. Margaritä, begraben. 
Aber nicht eine Kapelle mehr, ein Kirchlein stand 
nun schon da. Höchste Einfachheit war wol sein Schmuck, 
dennoch aber viel besucht und reich geziert mit Blumen 
aller Art, wie Wies und Feld sie boten. Ein Fried 
hof ringsum bewahrte das, was von der Bevölkerung 
am einsamen Donaustrande sterblich war, auf den 
Tag der Auferstehung. 
Die Klause oben gieng dem Verfall entgegen; 
doch selten wandelte ein Margarethner den schmalen 
Steig zum Bergesgipfel hinan, etwa um „in d' Stadt" 
zu kommen, ohne da den Hut zu rücken; die Weiber 
aber bekreuzten sich. Warum? — Sie wusstens nicht, 
frommes Ahnen nur ergriff dort ihre Seele. Freilich 
stand noch des Siedlers Kreuz, das die alte Liebe 
stets erneuert*); mehr schien jedoch an diesem Ort ver 
borgen. Knaben, so berichtet die Sage, welche sich in 
ihrem muthwilligen Spiele nicht scheuten auch das 
vermied'ne Obdach des längst verstorbenen „Mannes 
mit dem langen schneeweißen Bart" zu betreten, sahen 
einst in einer Felsenspalte eine Statue der hl. Jung 
frau. Erschreckt eilten sie von dannen und versprachen 
einander, zu Hause nichts zu sagen. Allein der unver 
dorbene Kindersinn verrieth sie bald. Ernst schritten 
nun die Männer den Pfad hinan, besichtigten das 
Wunderbild und ihre Herzen wurden weich wie frisch- 
Das noch auf der Felszinke sichtbare steinerne Kruzifix 
fall wol daran erinnern.
	        
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