Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1886 (1886)

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in dem die an gewissen Tagen in Wien stattfindenden 
Festlichkeiten für das Jahr 1707 angegeben werden", 
steht unsere Heilige einfach als Enphrosyna. Denn es 
heißt am 13. März: „Enphrosyna, Jungfrau, wird 
in denen Carmelitenkirchen wie gewöhnlich verehrt." 
Dass aber darunter nicht etwa die heilige Jungfrau 
von Alexandrien gemeint ist, geht daraus hervor, dass 
am 11. Februar, dem Tage dieser Letzteren, die Fest 
feier der „heiligen Enphrosyna Jungfrau in den Kirchen 
der Karmeliter" angegeben ist. 
Wie allgemein in jener Zeit unsere heilige Eu- 
phrasia als Enphrosyna galt, geht auch aus folgender 
Thatsache hervor. Als im Jahre 1720 das Servitinen- 
kloster in München von Rom die Reliquien einer 
heiligen Blutzengin, deren Eigennamen Enphrosyna 
aus dein beiliegenden Grabsteine bekannt war, als 
Geschenk erhielt, und man daselbst auch diese Heilige 
-alljährlich an einem bestimmten Tage mit Officium 
und Messe feiern wollte, suchte man einen unter diesem 
Namen bereits bekannten Tag und nahm den 13. März, 
also den Tag unserer heiligen Euphrasia. 
Das Gesagte möge für die Behauptung genügen, 
dass im vorigen Jahrhunderte die heilige Euphrasia 
beim Volke als Enphrosyna verehrt wurde. 
Aus Euphrosyna nun wurde Rosina; denn dass 
häufig gebrauchte mehrsilbige Namen, wie Katharina, 
Magdalena, im Volksmunde abgekürzt werden, und 
häufig blos die letzten Silben übrig blieben, lehrt die 
tägliche Erfahrung. Auch noch in der jüngsten Zeit 
kam der Fall vor, dass ein Kind auf den Namen 
der heiligen Euphrosyna (vom 1. Jänner) getauft, all 
gemein Rosina genannt wurde, ungeachtet man schrift 
lich den Namen Euphrosyna beibehielt. Dass aber 
unsere Heilige schon im vorigen Jahrhundert allgemein 
bekannt und beliebt war, geht wohl zur Genüge ans 
dem bereits Gesagten hervor. Auch Matth. Räder, der 
als Verfasser der Bavaria sancta mit der Geschichte 
der in Deutschland verehrten Heiligen gut bekannt 
war, bemerkte nach dem Zeugnis der Bollandisten (am 
11. Februar) schon im siebenzehnten Jahrhunderte, 
dass der in Deutschland verbreitete Name Rosina 
nur eine Abkürzung von Euphrosyna sei. Vom Volks 
munde nun gieng der abgekürzte Name auch in manche 
Volkskalender über. Veranlassung dazu mochte der Um 
stand sein, dass eine heilige Euphrosyna bereits am 
11. Februar verzeichnet war. So finden wir „Rosine" 
am 13. März beispielsweise bereits 1745 im Linzer 
„Sackkalender." Und er blieb dann; denn auch 1786 
finden wir ihn wieder. 
Ist nun auch der ursprüngliche Name Euphrasia 
ein anderer geworden, so brauchen wir denselben, wo 
er einmal allgemein angenomnien ist, ebenso wenig zu 
ändern, als man den Namen „Alois" desswegen än 
dern wird, weil dieser Heilige in seinem Leben „Lud 
wig" hieß. 
Durch diese gemachten Bemerkungen haben wir 
nichts anderes beabsichtigt, als auf die große heilige 
Euphrasia, die bei den Griechen am 25. Juli, bei den 
Lateinern aber, besonders im altehrwürdigen Carme- 
literorden, am 13. März verehrt wird, aufmerksam zu 
machen, und etwas Weniges zu ihrer Verehrung bei 
zutragen. P. H. 
Die Eidesverweigerung. 
Historische Erzählung von Joseph Maurer' 
> ie es im Leben einzelner Men 
schen oft geschieht, dass sie 
von einem Irrthume gewaltig 
erfasst werden, und im Taumel 
desselben dann die verkehrtesten 
und schlimmsten Dinge voll 
bringen, so ist es auch im 
Leben der Völker, die manch 
mal auch von einem irrigen 
Gedanken mächtig gepackt wer 
den und dann in dieser Ver 
irrung recht traurige Thaten 
ausüben, bis endlich wieder 
die Ernüchterung eintritt, und 
die gesunde Vernunft wieder 
zur Herrschaft gelangt und dann — freilich zu spät 
— einsieht, welch' Unheil dieser allgemeine Irrthum 
angerichtet hat. 
In solch eine Verirrung verfiel vor beiläufig 
hundert Jahren auch das französische Volk, welches 
damals solch falschen und schädlichen Ideen huldigte 
und dieselben auch zum großen eigenen und fremden 
Schaden zur Ausführung brachte, dass Frankreich 
selbst über diese Gedanken und Thaten staunte, als 
es nach einem Decennium wieder ernüchtert zu sich 
selber kam, wonach dann gar manche Ruine als Er 
innerung an das Geschehene übrig war. 
Kaum ein Dorf war in ganz Frankreich, wo 
sich nicht jene gewaltige Bewegung der Geister bemerk 
bar gemacht hätte; und wo trotzdem Ruhe herrschte, 
da sorgten die Revolutionshelden eifrig dafür, dass 
sie gestört würde. Nicht weniger als 44000 Guillotinen 
und 6000 Mann Soldaten wurden ausgesandt, um 
das Land von seinen Feinden zu säubern. So bezeich 
nete man die „aristokratischen Elemente" und jene 
Priester, welche den Eid auf die Verfassung nicht ab 
gelegt hatten. Dieser Eid wurde aber verlangt ans 
jene Verfassung, welche von der revolutionären National 
versammlung beschlossen war, die am 12. Juli 1790
	        
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