Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1885 (1885)

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Ohr den Büßern im Beichtstuhle lieh bei Tag und 
oft bei Nacht; an Feiertagen konnte er nicht selten 
erst äußerst spät die hl. Messe lesen, weil er die Ge— 
wohnheit hatte, vor derselben alle Beichtenden ab— 
zuhören. Arme und Gäste erfuhren von ihm immer 
die liebevollste Aufnahme. Die ganze Umgebung be— 
trachtete ihn als ihren geistlichen Vater, Wohlthäter 
und Seelenführer. 
So wirkte Berthold rastlos und kräftig bis zu 
Ende seiner irdischen Laufbahn zum Segen und zum 
Heile von Garsten, dessen Gründer er in religiöser, 
dessen Ruhm und Zierde er in jeder Hinsicht war. 
Als im Jahre 1142 Botschaft vom Stifte Ad— 
mont an ihn kam, sich dahin zur Begräbnis des Abtes 
Gottfried zu begeben, sagte er zu dem Boten: „Kehret um, 
euer Herr befindet sich wieder besser, er wird wieder 
genesen. Aber saget ihm, wenn solche Botschaft von 
mir zuteil wird, so soll er nicht zögern zu kommen.“ 
In Wahrheit war der Abt zu Admont, dessen Tod 
man jeden Augenblick erwartet hatte, genesen; Berthold 
aber wurde alsbald von tödtlicher Krankheit ergriffen. 
Seine geistlichen Söhne umstanden weinend und weh— 
klagend das Lager ihres innigstgeliebten Vaters, der 
ihnen noch weise Lehren und Ermahnungen ertheilte; er 
betete mit ihnen und sang mit ihnen noch die Litanei 
und seine Seele löste sich vom Leibe am 27. Ju li 
1142. Der genannte Abt von Admont segnete die 
Leiche ein. Sein Grab ward bald durch viele Wun— 
der verherrlicht. Priester und Volk verehrte ihn stets 
als einen Heiligen. 
Sein Grabmal stand einst in der Mitte der 
Kirche. In der neuerbauten Stiftskirche seit dem 
Jahre 1686 wurde das Monument zu dem Altare 
gebracht, der seinen Namen trägt. Zahlreich waren 
alljährlich die Wallfahrer, die zum Grabe des hl. 
Berthold pilgerten; und ungeachtet gegen das Ende 
des vorigen Jahrhunderts (Zeit des Kaiser Josef) 
manche Kundgebung der Verehrung gehindert wurde, 
so konnte doch die anfängliche Liebe und das gläu— 
bige Vertrauen zu diesem großen Heiligen Oberöster— 
reichs niemals unterdrückt werden. Auch. heutzutage 
noch, namentlich in der Umgebung von Garsten, gilt 
er als besonderer Schutzpatron in zeitlichen Bedräng— 
nissen. Dies Vertrauen bezeugen die Gläubigen, 
ndem sie oft Votivmessen aufopfern lassen zu Ehren 
des hl. Abtes und indem sie fast alljährlich mit einer 
„orausgehenden 9 tägigen Andacht und mit einer Bitt— 
xrocession sein Fest feierlich begehen. Den Wünschen 
ind Bitten des Klerus und Volkes gerne und freudig 
villfahrend, hat unser hochverehrtester und innigstge— 
iebter hochwürdigster Herr Bischof im Verlaufe des 
yorigen Jahres beim hl. apostolischen Stuhle zu Rom 
ie Bitte gestellt, wie das Fest des hl. Altmann, 
Hischofes von Passau, zu dessen Diöcese ja einst das 
histhum Linz gehörte, auch die Feste der speziell 
bberösterreichischen Heiligen: des Bischofes Adal— 
zero, Stifters von Lambach, der auch daselbst ge— 
‚oren und des Abtes Berthold von Garsten in 
»er hl. Messe und im Priesterofficium begehen zu 
ürfen — und der hl. Stuhl hat diese Concession gemacht 
ind den Kultus dieser drei Heiligen genehmiget. 
Möge dieses heilige Trifolium das Land Ober— 
jsterreich und seine Bewohner, das nun hundertjährige 
Bisthum Linz, seinen fünften hochwürdigsten Bischof, 
den ganzen Klerus und alle Gläubigen der Diözese 
nn ihren Schutz nehmen und denselben ihre Fürbitte 
tets angedeihen lassen! 
Doch wir können nicht schließen, ohne dem katho— 
ischen Volke Ober-Oesterreichs, allen Lesern dieses 
Kalenders im Auszuge noch ein Büchlein vorzuführen, 
das uns so recht eigentlich den hl. Berthold, wie 
er bei unseren gläubigen, sowohl niederen als hohen 
ind gelehrten Ahnen geliebt und verehrt wurde, zeigt. 
Der verewigte Geschichtsforscher, Professor am Vriester— 
Seminar zu Linz und Kapitular des Stiftes St. Flo— 
rian, Franz Xaver Pritz, schrieb anno 1842 ein 
Büchlein, das sich betitelt: „Erinnerungen an das 
iebenhundertjährige Jubelfest des seligen Berthold, 
rsten Abtes zu Garsten im Jahre 1842“. Demselben 
entnehmen wir: 
I. 
Von der Verehrung des heiligen Berthold in allen Zahrhunderten 
seit seinem Tode. 
Berthold war schon im Leben wegen seiner erhabenen 
Tugenden, seines religiösen Eifers und so vieler Wohlthaten, die 
er der ganzen Gegend erwiesen hatte, hoch geachtet, geliebt und 
bewundert; nach seinem Tode wuchs diese Verehrung immer 
mehr, besonders da so manche wunderbare Heilungen von Kranken 
an seinem Grabe stattfanden. Er wurde mit Recht als ein hei— 
liger Mann und ein Seliger im himmlischen Reiche betrachtet, 
und war als solcher ein Gegenstand der öffentlichen Verehrung 
in der Kirche, wo sein Grabmal stand. Dies geht ganz deutlich 
aus jener alten Lebensgeschichte desselben hervor, welche ein Mönch 
von Garsten, dessen Name unbekannt ist, um das Jahr 1176 
in lateinischer Sprache verfaßte. Er schrieb dieselbe jedoch nur 
bis zum 41. Kapitel, die andern bis zum 48. wurden von gleich— 
zeitigen Mitgliedern des Stiftes verfaßt, und enthalten Begeben— 
heiten, den hl. Berthold betrefsend, aus den Jahren 1248, 1309, 
1325. Zuletzt wird noch erzählt, daß 1345 der Abt Sifrid von 
St. Benedikt in der Diözese Gran in Ungarn auf der Rückreise 
von Avignon in Frankreich, sich zwei Tage in Garsten aufgehalten 
habe; er las dort die Biographie Berthold's, und bat sich eine 
Abschrift davon aus, die er auch erhielt. 
In dieser Lebensbeschreibung nun nennt der Verfasser den 
Abt Berthold öfters den Seligen, Heiligen, erzählt K. 22, dass 
hon zu seiner Zeit häufige Processionen von den benachbarten 
zfarren mit Vortragung von Kreuzen nach Garsten zum Grabe 
zerthold's gezogen sind und Opfer dargebracht haben. K. 24 
rwäht er, dass damals schon ihm zu Ehren hl. Messen gelesen 
vorden sind; so ließ sich eine Frau, die an den Füßen durch 
ie Gicht krumm geworden war, zu seinem Grabe bringen, und 
at um einen Priester, der ihm zu Ehren das hl. Meßopfer 
arbringen möchte; während desselben ward sie auch gesund. Seit 
er ältesten Zeit wurde ferner der Sterbetag Berthold's, der 
7. Juli, in der Umgegend von Garsten und in den zu diesem 
Stifte gehörigen Pfarren, als ein Festtag gefeiert, man unter— 
ieß die gewöhnlichen Arbeiten, und versammelte sich in den 
dirchen zu dem Gottesdienste. Es werden auch in der Biographie 
Berthold's Geschichten erzählt, wornach solche, die diesen Feier—
	        
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