Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1885 (1885)

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drungen ward Berthold nach erlangter Priesterweihe, 
obgleich noch jugendlich, zum Bibliothekar und Sub— 
prior erwählt. Bald darauf erging an ihn der Ruf, 
die hervorragende Stelle eines Priors im Stifte Gött— 
weig einzunehmen. Von dort ward er nach Garsten 
gezogen, wo der Markgraf Ottokar III., der auf der 
benachbarten Styraburg seinen Sitz hatte, im Jahre 
1080 ein Kollegiatstift gegründet hatte. Sein gleich— 
namiger Sohn und Nachfolger Ottokar IV. übergab 
die väterliche Stiftung dem Orden des hl. Benedikt 
im Jahre 1108. Zwölf Mönche von Göttweig, ge— 
führt vom Prior Wireto, nahmen Besitz von der neuen 
Kolonie Garsten. 
Nachdem der Prior Wireto als Abt nach Form— 
bach am Inn berufen worden war, erwählte die Bene— 
diktinerkolonie Garsten zugleich*) mit dem Erlauchten 
Stifter den Prior Berthold von Göttweig zum selb— 
ständigen Abte im Jahre 1111. J 
Der hochedle Markgraf vermehrte den bisher un— 
bedeutenden Besitzstand des Klosters; ihm folgten seine 
Ministerialen und die Edlen des Landes durch reiche 
Schenkungen in Oberösterreich, Niederösterreich und 
Steiermark. In die Fußstapfen des Vaters trat 
Markgraf Leopold und erwies sich als Freund und 
Wohlthäter des Stiftes. 
Abt Berthold entfaltete nun eine große Thätigkeit. 
Das bisher unbebaute und viel bewaldete Land ward 
für die Kultur gewonnen und es erhoben sich um 
diese Zeit an der Enns und Steier schon manche der 
jetzt blühenden Ortschaften, wie Gaflenz, Weyer, Losen— 
stein, Raming, Molln und Steinbach. Durch das 
große Ansehen, das der Abt Berthold genoß und 
durch seine ungeheuchelte Frömmigkeit wurden die 
Schenkungen immer häufiger und es vermehrte sich 
sein Besitzstand und auch seine Wirksamkeit. Der stets 
rege und nie müde Geist des hl. Benedikt lebte in 
den Söhnen des Vaters Berthold und ergriff gar 
bald die noch zurückgebliebenen Kleriker, angezogen 
von dem hellleuchtenden Beispiele. Ja wie ein weiser, 
umsichtiger, guter, milder, aber auch ernster Vater 
unter seinen Kindern waltete in seinem Garstina der 
hl. Berthold; kräftig mit Wort und That, mit Lehre 
und Beispiel wirkte er auf alle ein, die sich ihm 
näherten; seine hohe, liebreiche Persönlichkeit zog jeden 
mächtig an und machte ihn begeistert für das Gute, 
Höhere und Heilige. 
WGetreu der Ordenstradition errichtete Abt Berthold 
auch zu Garsten eine Schule, die, wie das Urbar des 
Stiftes bezeugt, bald gut besucht wurde und dem— 
selben manches Besitztum eintrug; denn nicht wenige 
Adelige haben ihre Söhne den Stiftsgeistlichen zur 
Erziehung übergeben. 
Berthold's Thätigkeit blieb nicht bloß auf sein 
Stift beschränkt, sondern manifestierte sich auch nach 
außen. Der Ruf seiner Frömmigkeit und Geisteskraft 
zog selbst qus entfernten Landen Hohe und Mächtige, 
Große und Kleine herbei, die Trost, Hilfe, Belehrung 
und Bekehrung suchten und fanden. Bei jeder Ge— 
*) „Berthus a Garstensibus et ipso Marchione Abbas 
glectus est.“ Vit. n. 9. 
egenheit suchte unser Berthold die Irrenden zu be— 
ehren und zurecht zu bringen, Sünder zur wahren 
Buͤße zu führen und ihre Seelen zu retten. Ein Raub— 
itter, Leo mit Namen, schon zum Tode verurtheilt, 
entfloh und fand in Garsten ein unantastbares Asyl. 
Berthold gab ihm das Ordenskeid der Laienbrüder. 
Ebenso bekehrte er einen anderen Räuber, Einwik, der 
Zaufleute ausplünderte, und nahm ihn auf; beide 
ührten ein reumütiges, von nun an tadelloses Leben. 
So wie Berthold für den religiösen Sinn und 
die Erhaltung der regulären Disziplin in seinem Stifte 
chätig sorgte, so zeigte er sich in jener Zeit des In— 
vestiturstreites zwischen Papst und Kaiser auch als 
einen muthigen, unerschütterlichen Kämpfer für Wahr— 
heit und Recht, für Kirche und Papst; auch bestärkte 
er die österreichischen und steirischen Markgrafen in ihrer 
rirchlichen Richtung. Deshalb nahm er mit Freuden 
den wegen seiner päpstlichen Haltung von seinem Sitze 
hertriebenen Erzbischof Konrad J. von Salzburg gast— 
ich in sein Stift auf, unbekümmert um den Zorn 
des Kaisers Heinrich V. Dessenungeachtet stand er bei 
dem Kaiser Konrad III. in hohem Ansehen, dessen 
Beichtvater und Rathgeber er gewesen ist, und von 
dem er eine großartige Landschenkung in der Ried— 
nark erhalten hatte. 
Dem hl. Berthold gehorchte sogar, wie sein Bio— 
zraph meldet und wie wir es von vielen großen Hei— 
igen wissen, die Natur. Auf sein Gebet zog der 
angeschwollene Bach „Garsten,“ von dem auch das 
dloster und die Ortschaft den Namen „Garsten“ er— 
hielien, seine reißenden Fluthen, welche bereits in 
zas Stift eingedrungen waren, plötzlich zurück*). Ein 
inderes Mal'kamen Fische herbei auf sein Begehren, 
im den Bedürfnissen liebwerther Gäste zu dienen. Ein⸗ 
nal saß er in der Gegend von Pöchl arn in Nieder— 
Desterreich zu Tische. Ihrer Viele sollten aus ein er 
Schüssel essen. Der Heilige theilte die Fische aus 
uind Alle bekamen genug und doch wurden sie unter 
seiner Hand nicht weniger.**) Sein Wort heilte 
Kranke, bannte die bösen Geister. Außerdem verlieh 
hm Gott die Gabe zu weissagen, Brote zu vermehren 
und andere Wunder zu wirken. Sich selbst tödtete 
er sehr ab, war daher so mager, daß nur Haut an 
den Beinen zu hängen schien. Es erzählt ferner sein 
Biograph, wie wir im Benediktiner-Martyrologium 
lesen, daß er aus Seeleneifer ungemein gerne sein 
2) Vita C. II. n. 24. Bolland: Quodam temporeé torrens, 
lui dicitur Garste, à quo etiam locus nomen 
1ceepit, terminum suum eéxcurrens totum situm loci ope- 
uerat ita ut êtiam- claustrum et officinas ejus occupans 
monachos incessum per aquam habere compelleret Afflictas 
consolatus est dicens: Ite ad refectorium ét aequo 
animo estoté, quia ab hac aquae invasiope quantocius !ibera- 
bimini, quodue modo torrens iste fecit, nunquam awplius 
foeturus èêst.“ Ivit Gonventus ad refectorium ipse vero intra⸗ 
vit in oratorium. Et more suo tam celerem consecutus est 
effectum, ut surgentes de mensa fratres mil invenirent de omni 
illa . .. aqua. I J 
—BRt aqua invasio nunquam postea contigit. 
*8) „Apud Poechlarn sedens ad mensam de una scutella 
multis convivantibus pisces divisit, ettamen divisione facta in 
nullo minui plenitudo illa visa est.“ Vita C. II. 2. (Lectio II. 
in Brev.)
	        
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