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REDEN UND ARMEEBEFEHLE
persönliche Entscheidung in den höchsten Staatsangelegen¬
heiten handelt.
Wir wählen ja nicht dazu den Präsidenten, den einzigen
Mann im ganzen Staate, dem wir die schwerste Pflicht auf¬
bürden, die Gesamtheit des Staates zu repräsentieren und
nicht seine einzelnen Teile, Gruppen und Verbände, damit
wir ihn dann so abscheulich und schändlich behandeln dür¬
fen, wie es bei uns zur niederträchtigen und nichtswürdi¬
gen Gewohnheit geworden ist. Nicht dazu stellen wir ihn
außerhalb des Alltagslebens und der damit verbundenen
Geringfügigkeiten, in die wir doch so gern unsere Nase und
auch andere Körperteile stecken, nicht dazu heben wir ihn
aus alledem heraus, was den Schmutz des Lebens ausmacht,
während doch unsere Hände gierig im Schmutz wühlen, da¬
mit wir ihm gleichzeitig die Vorrechte zur Erfüllung seiner
Rolle als des ersten Bürgers der Republik verweigern, von
denen sogar die Elstern gern von den Bäumen plappern.
Um die Maschinerie zu regulieren, die unter Reibungen ar¬
beitet, um all das zu beheben, was man Krise im Staat
nennt, muß man also die individuellen Kräfte eines einzi¬
gen Mannes einsetzen; doch dann hüte man sich, ihn bei
dieser großen Arbeit zu stören. Sooft ich gerade über diese
Lösung einer der allerwichtigsten Verfassungsfragen im
modernen Staate nachsann sooft verfolgte mein unbewußt
analytisch-kritisches Denken den Weg, den gerade eine
solche Einzelpersönlichkeit einzuschlagen sucht; bleibt sie
doch in den für viele Millionen Menschen kritischsten Au¬
genblicken hilflos sich selbst überlassen, angesichts der
größten und schwersten Zweifel und bisweilen so ratlos,
daß der Mensch das eigene Dasein verfluchen möchte. Ich
gehöre zu den starken Menschen, die mit einer — wenn ich
so sagen darf — ausnahmsweisen Charakterstärke und Ent-