Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

AUS DER ZEIT NACH DEM MAIUMSTURZ 
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wenn diese Rolle dem Präsidenten zufällt, so kann er nicht 
der unmittelbaren Gewalt über alle Parteien entraten, 
welche jene Reibungen, Disharmonien und Mißtöne verur¬ 
sachen. Folglich kann die Verfassung dem Präsidenten nicht 
unmittelbare Rechte gegenüber jedem Minister wie auch 
gegenüber Sejm und Senat verweigern. Man wird mir frag¬ 
los entgegenhalten, daß der Präsident diese Gewalt schon 
besitzt; denn ohne Zweifel muß ein Konflikt zwischen der 
Meinung des Ministers und derjenigen des Präsidenten mit 
dem Rücktritt des Ministers enden. Das ist aber nur her¬ 
kömmlicher Brauch und keine in der Verfassung festge¬ 
legte Möglichkeit, daß der Präsident jeden Minister entlas¬ 
sen kann. Es müßte aber zu seiner unmittelbaren Befugnis 
gehören und nicht mittelbar von der Verwendung eines Drit¬ 
ten abhängig sein. Dasselbe gilt auch von der Arbeit des Sejms 
und des Senats, und zwar nicht nur im Falle der Parla¬ 
mentsauflösung; denn diese zählt nicht zur Regulierung der 
Arbeit und gehört nicht zur täglichen Obsorge, daß die 
Maschinerie nicht allzusehr knarrt. Hätte der Präsident 
die Möglichkeit, seine Entschlüsse in der Arbeitsordnung 
des Sejm selbst in der Form von Befehlen zu erledigen, so 
ließen sich wer weiß wie viele Dummheiten und Unsinnig- 
keiten vermeiden, die nur durch Leidenschaften hervorge¬ 
rufen sind. Ich möchte hinzufügen, daß es beschämend 
wäre, wenn diese Verfassung so weit gehen wollte, für den 
Fall eines Entschlusses des Präsidenten gegenüber den ein¬ 
zelnen Ministern oder auch gegenüber Sejm und Senat ir¬ 
gendeine Gegenzeichnung zu fordern. Es scheint mir näm¬ 
lich unmöglich, irgendeine besondere Theorie aufzustellen, 
welche die Gegenzeichnung in denjenigen Fällen rechtfer¬ 
tigen könnte, bei denen es sich einzig und allein um die
	        
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