Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

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REDEN UND ARMEEBEFEHLE 
geschaffen, um dumm zu fragen und dumm zu reden. Des¬ 
halb zweifle ich für meine Person auch häufig am Wert 
des sogenannten Parlamentarismus, denn er führt zur Not¬ 
wendigkeit zu betrügen und in einer betrügerischen Umwelt 
zu leben. Ich will mich aber bemühen, Ihnen wenigstens 
ungefähr zu antworten. 
Jeder Regierungschef geht Kummer und Sorgen entge¬ 
gen, wenn er sich anschickt, seine Arbeit auszuführen. Er 
muß aber jenen Kummer und jene Sorgen wählen, welche 
die hauptsächlichsten sind, und sich ihnen widmen; alle 
anderen Kümmernisse und Sorgen, die für die gegebene 
Zeit nicht wichtig sind, muß er beiseite lassen. Er kann ein¬ 
fach nicht „Mädchen für alles66 sein; darum suche ich im¬ 
mer die Hauptsorge herauszufinden und lasse alles andere 
ruhig beiseite. Als eine solche Hauptsorge muß ich aber in 
Polen die Änderung jener grundsätzlichen Prinzipien be¬ 
trachten, die wir Konstitution nennen. Der Name ist dumm, 
weil er ausländisch ist; wahrscheinlich darum wollen die 
Menschen oft nicht verstehen, wieviel Arbeit man auf¬ 
wenden muß, um mit der Konstitution und ihren juristi¬ 
schen Grundsätzen im Einklang zu bleiben, wenn man an 
der Spitze der Regierung steht. Wenn aber eine Konstitu¬ 
tion unordentlich aufgesetzt und abgefaßt ist, so muß sie 
in Rechtsdingen ein Chaos erzeugen, welches so weit geht, 
daß es bisweilen unmöglich wird, in den Rechtsbegriffen 
die Ordnung aufrechtzuerhalten. Als Beispiel für eine 
solche Schludrigkeit will ich Ihnen das System der Konsti¬ 
tution anführen, soweit es die Arbeit des Sejm betrifft. 
Wir haben da mehrere Mittel, den Willen oder das Einver¬ 
ständnis des Sejm auszudrücken — aber sie alle sind un¬ 
bestimmt und schwankend. So haben wir im Artikel 3 sehr 
hochtrabende Worte, nämlich: „es gibt kein Gesetz ohne
	        
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