Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

AUS DER ZEIT NACH DEM MAIUMSTURZ 
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mel scharlachfarben, und scharlachrot leuchteten die Rock¬ 
klappen der Soldaten. Bildschön zogen die Jünglinge in 
den Kampf, und doch war es ein Abendrot. Und abermals 
eine neue Generation und ein neuer Trug von aufgehen¬ 
dem Licht: der Trug von 1863 erlosch . . . 
Wie viele solcher Täuschungen hatten wir hinter uns, als 
wir 1914 von Krakau nach Kielce marschierten. Wir waren 
so klein, und die Schatten legten sich so breit über unse¬ 
ren Weg, und das Licht war so kärglich. Ein Häuflein ver¬ 
gessener Menschen . . . Der Himmel lohte wie immer, und 
in der Ungewißheit von Abend- und Morgenröten zogen 
wir ein Stück unseres Lebensweges. 
Wenn ich an die Arbeit unserer Väter denke, so seufze 
ich vor Neid und Triumph. Ich beneide sie, denn sie wirk¬ 
ten in einer besseren Atmosphäre als wir. Wir hatten eine 
kühlere Atmosphäre als alle anderen Aufstände. Unser 
Golgatha währte auch länger als das ihrige. Unser Morgen¬ 
rot leuchtete am Horizont so durch Nebel, daß es oft 
schien, als müßte die Nacht es überfluten. Vier lange Jahre 
der Qual, in denen alles von der Erhebung der Hoffnung, 
von der Erhebung des Trugs sprach. Es ist aber eine unbe¬ 
streitbare Wahrheit, daß wir im Jahre 1914 auf dem ge¬ 
schichtlichen Wege gingen, den unsere Großväter gegangen 
waren, aber unser Schicksal war schwerer. 
So viele Erinnerungen hat Kielce in mir wachgerufen. 
Meine Damen und Herren! Ich habe der geschichtlichen 
Wahrheit meinen Tribut gezollt; jetzt will ich eine andere 
Seite dieser Wahrheit auf zeigen. Ich will die Wahrheit vom 
Mut des Gedankens und vom Mut der Arbeitsmethoden be¬ 
rühren. Wenn etwas Neues geschieht, so muß es einen Ge¬ 
danken haben, der das Bestehende verneint. Darum ist es 
neu. Wenn man an andere Wahrheiten denkt, so gelangt
	        
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