292 M. TUCHATSCHEWSKY, DER VORMARSCH ÜBER DIE WEICHSEL
Njemen am 22. Juli, die 3. Armee, den Njemen mit ihren Haupt¬
kräften im Gebiet der Szezaramündung, die 16. Armee aber, den
Szczarafluß nördlich von Slomin zu forcieren. Es bestanden nach¬
folgende Trennungslinien: zwischen der 4. und 15. Armee die
Linie Skidel — Indura, zwischen der 15. und 3. Armee Eisenbahn¬
station Mosty —Ros; zwischen der 3. und 16. Armee beließ man
die vorherige Trennungslinie.
Das polnische Oberkommando bereitete inzwischen seinerseits
ebenfalls eine neue Operation vor. Es beabsichtigte den Lauf des
Njemenflusses und der Szczara um jeden Preis zu halten, und
wollte im Raum von Grodno eine Stoßgruppe von 6 Infanterie-
Divisionen bilden, um mit ihr einen Stoß gegen den Flügel uns¬
rer Hauptgruppe auszuführen. Zu diesem Zweck marschierten
die 5., 8. und 10. Infanterie-Division auf Grodno, wogegen die in
Bialystok versammelte 9. und 17. Infanterie-Division und drei
Ulanenregimenter über Kuznice von Westen auf Grodno vorgin-
gen, wo die 2. litauisch-weißrussische Infanterie-Division sich
bereits befand (Skizze 10).
Die schnelle Operation des 3. Kavallerie-Korps zerschlug alle
polnischen Pläne. Schon am 19. Juli wurde die Festung Grodno
durch einen Raid genommen. Die litauisch-weißrussischen Ab¬
teilungen waren zersprengt und wurden in Unordnung aufs West¬
ufer des Njemenflusses zurückgedrängt. Abteilungen der 15. Ka¬
vallerie-Division nahmen die Stadt Kuznice ein, die 10. Kaval¬
lerie-Division aber besetzte Skidel und wartete das Herankom¬
men der Fußtruppen der 4. Armee ah. Die Masse der polnischen
Infanterie kam inzwischen an die Stellungen unsrer Kavallerie¬
divisionen heran, ging zu entschlossenem Angriff über und be¬
gann sie zurückzudrängen. Während am Westufer des Njemen
die 15. Kavallerie-Division in die Festung zurückgedrängt wurde
und sich am Flußufer festsetzte, kämpfte die 10. Kavallerie-Divi¬
sion einen erbitterten Kampf gegen die auf dem Vorfeld von
Grodno aus der Richtung Lida entwickelten „weißen46 Divisio¬
nen der Polen. Inzwischen trat aber die Infanteriemasse der 4.
Armee aus der Grodnoer Heide heraus und fiel den vorgehenden
polnischen Divisionen in Flanke und Rücken. Sie wurden über
den Haufen geworfen, erdrückt und in völliger Unordnung in
südlicher Richtung auf die Eisenbahnstation Mosty zurückgetrie¬
ben. Truppen der 15. Armee verlegten ihnen den Rückzug und
schlugen sie endgültig, indem sie ihre Demoralisierung verur¬
sachten und sie aufs Westufer des Njemen zurückwarfen. So un¬