Volltext: Der Krieg und die Sozialdemokratie [25]

erschien der Minister des Innern auf der Redaktion des Partei¬ 
blattes, um in aller Form zu Franks Tod zu kondolieren. Die 
Gewerkschaften arbeiten bei den Armeelieferungen mit der Regie¬ 
rung zusammen. Die Behörden haben den alten Wahn abgelegt, 
daß es sich mit Sozialdemokraten nur ruppig verkehren ließe. 
Man entdeckt sich überall. In dem demokratischen Frankreich war 
es dagegen nötig, daß Joffre in einem scharfen Tagesbefehl seinen 
Offizieren die allergewöhnlichsten Pflichten im Amgang mit den 
Soldaten zum Bewußtsein brachte. 
Was das alles soll? 
Es ist mir nur eine Bestätigung dessen, was ich längst wußte, 
was aber in einer geradezu überwältigenden Art, in einem Brief 
zum Ausdruck kam, der mir vorlag und in dem ein ernster, grund¬ 
gelehrter und bisher dem radikalen Flügel angehöriger Partei¬ 
genosse einen Gegner der Bewilligung der Kriegskredite über seine 
Empfindungen für Deutschland und über seinen Stolz ein Deutscher 
zu sein, aufklärte. Darin fügt er zu einem Lobpreis auf „Deutsch¬ 
land, das Land der Seelen liebe", die stolz verschämten und 
ihn ehrenden Worte hinzu: „Entschuldigen Sie diesen gänzlich 
unmarxistischen Ausdruck!" 
Nie ist in einer Ironie tiefere, erschütterndere Wahrheit 
gelegen. 
Das ist es: Deutschland, das Land der Seelenliebei 
Ohne dieses Land wäre auch die deutsche Sozialdemokratie nicht, 
was sie ist! Deutschland, indem zu einer Zeit, als alle Religion 
verdächtig geworden war, Marx und Engels als echte Schüler 
Äegels es unternahmen, Religion in der Verkleidung einer trockenen 
Wissenschaft, der politischen Ökonomie, zu lehren! Deutschland, 
das Land in dem die Klassen einander während des Friedens in 
ehrlicher Verbissenheit aufs Messer bekämpfen, bis ihnen ange¬ 
sichts des Feindes in den Schützengräben die Binden von den 
Augen fielen! Deutschland, das Land, dessen Proletarier und 
Akademiker aus dem Feld ganze Taubenschwärme der wunder¬ 
vollsten Gedichte in die Äeimat aufflattern ließen! Deutschland, 
dessen Soldaten sich durch die Kriegsglut läuterten und heiligten, 
während die französischen Kameraden den Krieg verfluchen und 
die bezahlten Söldner Englands ihn als geschäftliche Konjunktur 
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