Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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nicht weil die eine Seite Kraft und die andere Gedanke, son 
dern weil jene blind und diese bewußt ist. Kraft und Gedanke 
schlechthin bilden keinen Gegensatz. Ist das Denken nicht auch 
Kraft? Ist es namentlich bei Spinoza etwas anderes als Kraft, 
als unendliche, wirksame, nach dem Gesetz der bloßen Causalität 
wirksame Kraft? Nennt Spinoza das Denken nicht selbst „infi- 
nita cogitaudi potentia“? Ist nicht der Begriff des Attributs 
bei Spinoza vollkommen gleichbedeutend mit dem Begriffe der 
Kraft? 
Wenn man Kraft und Gedanke als Gegensätze behandelt, so 
macht man die stille Voraussetzung, daß die Kraft identisch sei 
mit der blinden, gedankenlosen Kraft, mit dem Gegentheile des 
Denkens, mit der Materie oder Ausdehnung; daß es nur mate 
rielle Kräfte gebe, daß also der Begriff der wirkenden Causalität 
vollkommen eines sei mit dem Materialismus. Auf dieser Annahme 
beruht Trendelenburgs Grundanschauung kt Lehre Spinoza's. 
Sie hängt von der Voraussetzung ab, daß Kraft und blinde Kraft 
und Materie oder Ausdehnung einen und denselben Begriff bilden. 
Und wie verhält sich dazu die Lehre Spinoza's? Hier sind Denken 
und Ausdehnung identisch im Begriffe des Attributs, im Begriffe 
der Kraft; jenes ist die denkende, diese ist die materielle (blinde) 
Kraft. Die Kraft des Denkens erzeugt die Erkenntniß, die 
Kraft der Materie erzeugt die Bewegung; aber keine der beiden 
Kräfte handelt nach Zwecken, sondern jede nach demselben Gesetz 
und derselben Ordnung wirkender Causalität. Denken und Aus 
dehnung sind bei Spinoza vollkommen eines in der Verneinung 
der Zwecke, vollkommen eines in der Bejahung der Causalität, 
derselben Causalität: darum erzeugen beide unabhängig von ein 
ander dieselbe Ordnung der Dinge. 
Etwas ganz Anderes also ist Trendelenburgs Grundan-
	        
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