Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

478 
allen Willen, ohne alles Bewußtsein. Dieselben Bewegungen, 
die für bewußte Willensacte gelten sollen, macht eine Maschine, 
ein Automat, ein Nachtwandler, der nicht weiß, was er thut. 
Man sagt: der Körper wird vom Geiste beherrscht, er leidet unter 
den Mängeln des Geistes. Aber das Gegentheil ist ebenso richtig: 
der Geist wird vom Körper beherrscht, das Denken erlahmt unter 
körperlichen Affectionen, es wird bewußtlos gemacht im Schlaf u. s. f. 
Eine Behauptung ist so richtig als die andere, d. h. beide sind falsch *). 
3. Die vermeintliche Unabhängigkeit des Willens von 
der Erkenntniß. Descartes. 
Der Wille sei unabhängig von der Erkenntniß. Auf diesem 
Satze beruhte Descartes' Theorie von der menschlichen Willens 
freiheit und vom Irrthum. Während die menschliche Erkenntniß 
beschränkt sei, soll der Wille unbeschränkt sein als das einzige wahr 
haft unendliche Vermögen des menschlichen Geistes; daher sei der 
Wille frei, das völlig ungebundene Vermögen zu bejahen und zu 
verneinen. Er reiche weiter als die Einsicht; daher könne er auch 
bejahen oder verneinen, was nicht wahrhaft erkannt sei: hieraus 
erkläre sich die Möglichkeit des Irrthums. Er könne aber auch 
weder bejahen noch verneinen, was nicht wahrhaft erkannt sei, 
d. h. er könne das Urtheil (Bejahung oder Verneinung) zurückhalten: 
er habe es daher in seiner Gewalt, nicht zu irren. Wäre der Wille 
abhängig von den Vorstellungen, so würde er durch dieselben deter- 
minirt, so könnte er durch verschiedene Vorstellungen gleich stark 
determinirt werden, also in einen Zustand der Indifferenz gerathen, 
wo alles Wollen und Handeln nothwendig aufhören würde, wie 
') Eft. III. Prop. II. Sehol.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.