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*) Eth. II. Prop. XXXVI.
5. Die menschliche Freiheit als Gattungsbegriff
(Unive rsalwille).
Was aus inadäquaten Ideen folgt, ist nothwendig auch in
adäquat. Denn die inadäquaten und verworrenen Ideen sind eben
so nothwendig verkettet als die adäquaten, klaren oder deutlichen
Ideen *). Sind nun alle Gattungsbegriffe falsch und verworren,
so ist ebenso falsch und verworren Alles, das aus Gattungsbegriffen
folgt oder sich auf dieselben gründet.
Worauf gründet sich denn die Vorstellung der menschlichen
Freiheit? Sie gründet sich auf die Vorstellung eines absoluten
oder allgemeinen Willens, vermöge dessen wir ebenso gut dieses als
jenes wollen können: auf ein allgemeines Vermögen zu wollen,
welches nichts Anderes ist als der abstracte Begriff der einzelnen
bestimmten Willensacte. Der wirkliche Wille des Menschen ist
seine Begierde, und die Begierde ist in jedem Fall dieses einzelne
wirkliche Verlangen, das seine bestimmten Ursachen hat, aus
denen es nothwendig folgt. Abstrahiren wir von den einzelnen,
bestimmten Willensacten, so bleibt nichts übrig als der allgemeine,
unbestimmte, leere Wille, das ist der Wille ohne Determination
und ohne Ursache d. i. der indeterminirte oder freie Mille. Der
wirkliche Wille ist der bestimmte: dieses einzelne Verlangen, das
mit Nothwendigkeit folgt aus einer Ursache, die ebenfalls eine
nothwendige Wirkung ist. Der unbestimmte Wille ist also der
Wille nach Abzug seiner Wirklichkeit, das ist der unwirkliche Wille,
der nicht in unserer Natur existirt, sondern nur in unserer Ein
bildung, ein bloßes „6ii8 itaaginationis“. Der freie Wille ist der
allgemeine, der Wille als Gattungsbegriff, der sich zu den einzelnen