Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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■) Eth, III. Prop. XLIII. XLIV. Dem. 
18. Die Liebe als Vernichtung des Hasses. 
Liebe und Haß verhalten sich als entgegengesetzte Größen. 
Wie die Liebe durch den Haß, wenn sich beide in der Richtung 
auf dasselbe Object begegnen, vermindert und aufgehoben wird; 
wie Liebe durch Gegenliebe, Haß durch Gegenhaß sich steigert und 
mehrt: so wird der Haß durch die Liebe aufgehoben und vertilgt, 
wenn beide in derselben Richtung zusammentreffen. Ein Wesen, 
das wir hassen, erweist uns Gutes; es wird also Ursache unserer 
Freude, also Gegenstand unserer Liebe. So werden wir dadurch 
zugleich um eine traurige Empfindung ärmer und um eine glück 
liche reicher. Wir werden von dem peinlichen Drucke des Hasses 
befreit und zugleich durch die wohlthuende Empfindung der Liebe 
erquickt. So wird das gehaßte Wesen, von dem wir Gutes erfah 
ren, die Ursache sowohl unserer Befreiung vom Hasse als unserer 
positiven Freude; es wird die Ursache eines doppelten Wohlge 
fühls , also nothwendig auch Gegenstand unserer doppelten Liebe. 
Wir werden daher dieses Object jetzt stärker lieben, als wir es vor 
her gehaßt haben, d. h. wir werden es mehr lieben als wenn wir 
es niemals gehaßt hätten*). „Jetzt mehr mein Freund, als du 
je Feind gewesen," läßt Shakespeare den Ausidius zu Coriolan, 
seinem Todfeinde, sagen, als dieser dem Feldherrn der Volsker 
seine Freundschaft anträgt. 
Wenn aber die Liebe, die aus dem Hasse entsteht, den Haß 
übertrifft, so könnte es scheinen, als ob der größte Haß der beste 
Weg zur Liebe wäre; es könnte scheinen, daß die Liebe nothwendig 
am größten sei, wenn sie aus dem größten Haß hervorgehe. Man 
müßte also folgerichtigerweise den Haß begehren um der Liebe wil 
len. Aber man müßte auch eben so folgerichtig den Haß fort-
	        
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