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Wesen fordert zahllose Attribute. In der Betrachtung Gottes
soll unser Horizont nicht auf einen bestimmten Bezirk eingeschränkt,
sondern sogleich ins Unendliche erweitert werden. Dieß geschieht
durch die iniinita attributa. Jedes Attribut ist eine vollkommene
Realität. Daher der Satz: je mehr Realität, um so mehr Attri
bute*). Also müssen nothwendig dem Inbegriff aller Realitäten
unendlich viel Attribute zukommen.
Das Attribut drückt ewige und unendliche Wesenheit aus,
jedes in seiner Weise. Diese Weise ist bestimmt; es sind daher
auch andere Weisen möglich. Wäre Gott an gewisse Attribute
gebunden, so wäre das Gebiet der Möglichkeit in Gott beschränkt,
so wäre Gott nicht unendliche Macht, also auch nicht das unend
liche Wesen. Es liegt in der Natur des Attributs, welches eine
bestimmte Beschaffenheit hat, daß die unendliche Macht unendlich
viel Attribute haben muß.
Nun hebt Spinoza ttn Verlaufe seines Systems in der That
immer nur zwei bestimmte Attribute hervor, unter denen er das
Wesen Gottes darstellt. Hier droht ihm der Einwurf, daß er Gott
durch die Zahl und Art der Attribute beschränkt und damit die
Unendlichkeit Gottes verneint habe. Gegen diesen Einwurf schützt
ihn von vornherein die Bestimmung der iniinita attributa. Er
kann erwiedern, daß die zwei bestimmten Attribute eben nur zwei
sind aus der zahllosen Wesensfülle Gottes.
Wir haben erklärt, wie Spinoza zu der Bestimmung der
zahllosen Attribute kommt, nicht was sie bedeutet. Jedes Attribut
drückt unendliche und ewige Wesenheit aus; jedes ist, wie Spinoza
in jenem Briese sagte, in seiner Art unendlich. Zahllose Attri
bute sind zahllose Unendlichkeiten. Wie ist das möglich?
*) Eth. I. Prop. IX.