Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

205 
Wir haben in der Analyse der Schrift die Hauptdifferenz hervor 
treten lassen. Die Aufgabe, die sich Spinoza setzt, findet ihre 
Lösung in der Erkenntniß, daß der Geist eines ist mit der ge- 
sammtcn Natur, daß also die Natur ein einziges Wesen ist, was 
sie nur sein kann, wenn in ihrem Grunde die beiden Attribute 
Denken und Ausdehnung identisch sind. Zwei Bedingungen also 
sind gefordert, um die Aufgabe zu lösen, mit welcher Spinoza 
seine Lehre einführt und nach deren Richtschnur er die Grund 
linien seines Systems entwirft: die Einheit aller Dinge und 
die Erkennbarkeit dieser Einheit. Die erste Forderung be 
streitet den Dualismus, den natürlichen Zwiespalt der Dinge, diese 
Grundlage der Lehre Descartes'; die zweite hebt die Schranke 
auf, welche der Dualismus nothwendig der natürlichen Erkennt 
niß setzt, indem er den Zusammenhang der Dinge zerreißt*). 
Aus dieser Grunddifferenz zwischen Spinoza und Descartes fol 
gen die übrigen. 
Es leuchtet daher ein, daß Spinoza, als er die Principien 
Descartes' nach mathematischer Methode darstellte, selbst nicht mehr 
Cartesianer und bereits des eigenen Standpunkts vollkommen mäch 
tig war. Diese Thatsache würde feststehen, auch wenn sie Spinoza 
in der Vorrede seiner Schrift nicht ausdrücklich hätte erklären und 
die Leser darauf hinweisen lassen. Er wollte in der Meinung der 
Leser sich von seiner Schrift unterschieden wissen. Darum sagt 
die Vorrede von dem Verfasser: „da er sich nämlich vorgenommen 
hatte, seinem Schüler die Philosophie Descartes' zu lehren, so 
war es ihm eine unverbrüchliche Pflicht, von den Ansichten Dcs- 
cartes' nicht einen Nagel breit abzuweichen oder etwas zu dictiren, 
das den cartesianischen Lehren entweder nicht entspräche oder gar 
*) Vergl. oben Capitel IX Nr. III. 1. Seite 177 flg.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.