Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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die Erkenntniß einer außerordentlichen und wunderbaren Offen 
barung Gottes nicht bedarf, denn sie ist die nothwendige Form 
seiner natürlichen Offenbarung. Darum haben die Prophezeiun 
gen auch keine wissenschaftliche oder, wie Spinoza sagt, mathe 
matische, sondern nur eine moralische Gewißheit, denn sie 
gründen sich auf die Einbildungskraft und den Glauben der Pro 
pheten, und so verschieden nach den Umständen der Zeit und nach 
der individuellen Eigenthümlichkeit der Personen die Geistesart der 
Propheten ist, so verschieden ist die Art ihrer Weissagung. Einem 
Jesaias offenbart sich Gott in anderer Weise als einem Ezechiel*). 
Die biblischen Offenbarungen, so genommen, wie sie sind, 
enthalten demnach keine Erkenntniß und bieten keine Grundlagen 
für ein theologisches System, das vermöge seiner höhern Einsicht 
die Philosophie bestreiten und sie vermöge seines göttlichen An 
sehens zwingen könnte, sich ihm zu unterwerfen. Es ist daher 
kein Grund zu einem Streit zwischen Offenbarung und Wissen 
schaft, zwischen Bibel und Philosophie; oder die Bibel, richtig 
gewürdigt, bildet keine Instanz gegen das Recht und die Macht 
vollkommenheit der natürlichen Erkenntniß. Diesen Satz festzu 
stellen und gründlich zu beweisen, war die eigentliche Hauptauf 
gabe des theologisch - politischen Tractats, den wir jetzt in seinem 
Zusammenhange und in der Ordnung seiner Untersuchungen durch 
schauen. 
*) Tract. theol. polit. Cap. I. De prophetia. Cap. II. De 
Prophetis.
	        
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