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nur eine Schrift erscheint, die nicht einmal Spinoza selbst heraus-
giebt, sondern deren Herausgabe einer seiner Freunde besorgt:
ein Werk, welches noch dazu seiner eigenen Lehre fremd ist;
daß die einzige Schrift, die er selbst erscheinen läßt, keinen Ra
inen trägt und sogar eine falsche Bezeichnung des Druckorts, um
so viel als möglich den Verfasser geheim zu halten; daß die übri
gen Werke, die seine eigentliche Lehre enthalten, erst nach seinem
Tode wagen dürfen, der Welt bekannt zu werden.
II.
Die Darstellung der Principien Descartes'.
1. Veranlassung der Schrift.
Die erste jener beiden Schriften, die noch bei Lebzeiten
Spinozas erschienen, war nicht zur Veröffentlichung bestimmt.
Spinoza hatte nämlich einem jungen Mann, den er in der Philo
sophie unterrichten, seine eigenen Ansichten aber nicht mittheilen
wollte, die Lehre Descartes' vorgetragen, in mathematischer Form
entwickelt und in Dictaten überliefert. Dieser Unterricht fand
also in einer Zeit statt, wo Spinoza nicht mehr Cartesianer, son
dern schon in der Ausbildung seiner eigenen Lehre begriffen war.
Run wissen wir, daß er in Rhynsburg mit einem jungen Men
schen verkehrte, der von ihm Belehrungen empfing. Simon Vries,
einer seiner nächsten Schüler in Amsterdam, schreibt den 24. Fe
bruar 1663 an Spinoza: „Glücklich und dreimal glücklich Dein
Hausgenosse, der unter demselben Dache mit Dir weilen und beim
Frühstück, Mittagsessen und Spaziergänge mit Dir über die
höchsten Dinge sich unterreden kann!" Darauf entgegnet Spinoza:
„Du brauchst meinen Hausgenossen nicht zu beneiden, denn nie
mand ist mir widerwärtiger und vor keinem nehme ich mich mehr