Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

135 
unserem Philosophen vollkommen gewohnt und vertraut. Sein 
Leben war, wie Sokrates das Sterben erklärt hat. Und er ist, 
wie Sokrates, so ruhig und unverändert in seiner gewohnten 
Haltung der letzten Stunde entgegengegangen. 
Seit mehr als zwanzig Jahren war er brustkrank, und sein 
körperliches Aussehen trug die unverkennbaren Spuren der ab 
zehrenden Krankheit. Aber er sprach von seinen Leiden nicht mit 
Anderen, er klagte nie, er wollte auch leidend kein Gegenstand 
fremder Hülse sein, um niemand lästig zu werden. So ahnten 
selbst seine Hausgenossen nicht, wie nah ihm der Tod bevorstand. 
In gewohnter Weise war er Abends zu seinen Hausgenossen 
herabgekommen und hatte sich über die Fastenpredigt, die sie eben 
gehört, lange mit ihnen unterhalten. Zeitiger als sonst ging er 
diesen Abend zur Ruhe. Den folgenden Tag, es war Sonntag 
der 23. Februar 1677, stieg er früh vor der Kirche noch einmal 
herunter, um seine Hausfreunde zu sprechen. Inzwischen war 
auf einen Brief Spinozas der ihm befreundete Arzt Ludwig 
Meyer aus Amsterdam angekommen, der mit ärztlicher Fürsorge 
dem leidenden Freunde zur Hand ging und unter anderen Anord 
nungen, die er traf, noch die Hausleute bat, einen Hahn zu 
schlachten, damit Spinoza zu Mittag die Brühe genießen könne. 
Es geschah und er aß noch mit gutem Appetit. Als van der 
Spyck und seine Frau aus dem Nachmittagsgottesdienste nach 
Hause zurückkehrten, hörten sie, daß Spinoza gegen drei Uhr ge 
storben sei. Niemand war in seiner Todesstunde bei ihm als jener 
Arzt aus Amsterdam, der noch denselben Abend zurückreiste. 
So haben die letzten Stunden Spinoza's die Leute des Hau 
ses mehr als einmal dem Colerus erzählt. Sie haben ihn ver 
sichert, daß alle anderen Gerüchte nichts als Lügen seien.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.