Volltext: Einige Worte über Erziehung

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Der Verstand ist noch nicht Vernunft; er ist bloss das 
Vermögen zu begreifen, zu urtheilen, zu schliessen. Mit Ver 
stand kann man ebenso gut Bösewicht, wie ein braver Mann 
sein. Der Verstand ist ein Fernrohr, das nicht nur das Objekt 
als Ganzes, sondern auch jede Makel desselben vergrössert 
erscheinen lässt. Sollten wir die Fehler erst dann strafbar 
finden und strafen wollen, wenn sie durch die fortschreitende 
Entwicklung des Verstandes bereits gross geworden sind? 0! 
dann dürfte es bereits zu spät sein! 
Zu der unvernünftigen Behandlung von Seite der Aeltern, 
kommen gewöhnlich noch die Sünden der Dienstleute. Unter 
diesen mag es welche geben, die dem Kinde nicht zugethan, 
dasselbe förmlich peinigen. Wenn die Kinder aus dem Schlafe, 
aus dem Traume aufgeschreckt werden, o! so sind es vielleicht 
diese dienenden Geister, die es noch im Traume verfolgen. 
Das Kind ahmt Alles nach, wie ein Affe; es wird so , wie 
seine Umgebung; die Kinder sind der Spiegel für ihre Umgebung; 
der Schluss von den Kindern auf den moralischen Werth ihrer 
Umgebung ist gewöhnlich richtig. 
Wie häufig wird gedroht, wie selten die Drohung erfülltj 
Wer beständig tadelt, beständig zurechtweiset, jede Kleinigkeit 
rügt, wird anfangs lästig, zuletzt aber gar nicht mehr angehört. 
Man gewöhnt sich an sein Mentorisiren und man merkt erst 
dann auf, wenn es unterbrochen wird, so wie man die Pendel 
uhr erst dann bemerkt, wenn sie stehen bleibt. Es gibt Aeltern, 
die sieh mit ihren Kindern sehr wenig, oder gar nicht abgeben; 
der Papa nicht, weil er keine Zeit oder keine Lust hat, und 
die Mama hat ebenfalls ihr »Weil.« Das Kind wird einem Kinds 
mädchen, den Kaprizen einer Bonne, die französisch spricht, 
oder sonst Jemand überlassen. Die Konversation in der Mutter 
sprache wird soviel als möglich gemieden, damit der Kleine recht, 
bald ein Franzose werde. Was hat diese Statistenrolle der Aeltern 
für Folgen? dass das Kind zu den Personen , die es mit den
	        
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