Volltext: Im Lenz geknickt

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Er hatte damal seine vorletzten Prüfungen glänzend 
bestanden, lebte geistig und physisch neu auf und über¬ 
wand sogar seine unglückliche Liebe, als er zur Erkenntnis 
kam, daß jenes schöne Mädchen keine so schöne Seele 
hatte, als er glaubte. Die Ferien brachte er wieder in 
seinem lieben Freistadt zu und blühend kam er zurück. 
Wir glaubten alle an seine gänzliche Genesung — er 
allein glaubte nicht daran. Er hatte mir in den Ferien 
aus Freistadt nur eine flüchtige Correspondenzcarte nach 
Ischl geschrieben, aber als ich im Herbste nach Ungarn 
gieng, da war er mein fleißigster Correspondent und durch 
jene Briefe gewann ich den tiefsten Einblick in sein 
Inneres. „Halt Einkehr bei Dir selber," schrieb er mir 
zu meinem Geburtstag, „frag, ob ich nicht treu bei Dir 
ausgehalten, ob wir nicht Leid und Freud mit einander 
getheilt und dann wirst Du begreifen, wenn ich Dir heute 
sage: Komm, Bruder, laß Dich ans Herz drücken, bleib 
mein Freund; wahrhaftig, ich kann Dir und mir nichts 
Besseres wünschen. Jedem Andern gegenüber mag ein 
solcher Wunsch nach Anmaßung riechen — Du wirst mich 
fassen. Ein Jahr im Leben ist rasch vorüber und doch 
ist es lang — wem die Jahre karg zugemessen sind 
wie mir, mag sich mit dem letzten trösten, wenn es 
ja ein Trost ist, diesen garstigen Erdenschlendrian länger 
mitmachen zu dürfen und sich hudeln 31t lassen — ein 
Jahr ist lang und doch hat es nichts geändert in unserem 
gegenseitigen Verhältnisse, möge es so bleiben!" Über 
seinen Gemüthszustand schrieb er in demselben Briefe: 
„Mein Fühlen! Hast Du denn je ein so dunkles, 
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