Volltext: Wie steht es mit Polen? [49]

/2Jtne Erörterung der Polenfrage in jetziger Zeit könnte leicht 
\Z^ dahin verstanden werden, daß man das Fell des Bären 
verteilen wolle, ehe er erlegt ist. Von vornherein mag daher 
bemerkt werden, daß es sich darum hier nicht handelt. Aber es 
ist eine Frage, die im Frieden schon viele Köpfe beschäftigt hat, 
und die, wie jedermann einsieht und fühlt, durch den Krieg in 
eine neue Beleuchtung gerückt ist. Schon haben sich darüber die 
verschiedensten Meinungen gebildet, die nicht alle von klaren und 
zutreffenden Vorstellungen über die Lage der Dinge ausgehen. 
Über diese einige Klarheit zu verbreiten, ist die Aufgabe der 
folgenden Darstellung, die weder prophezeien, noch den Berufenen 
unerbetene Ratschläge erteilen, noch den Weg der zukünftigen 
Entwicklung vorzeitig festlegen will. 
Ein Teil unserer Landsleute meint, daß ein polnisches Volk 
eigentlich nicht mehr vorhanden sei, weil der selbstverschuldete 
Untergang des polnischen Reichs dieses Volk aus dem Buch 
der Geschichte ausgestrichen habe. Andere bilden ihr Arteil über 
die Polen nach den Gesichtspunkten menschlichen Mitleids mit 
einem unglücklichen Volk. Beide Vorstellungen führen aus Irr¬ 
wege. Die Polen sind noch heute ein wirkliches, lebendiges Volk, 
und seine Beziehungen zu uns können nicht nach einer noch so 
ehrenwerten Gefühlsregung von unserer Seite geregelt werden, 
sondern nur nach den beiderseitigen Interessen. Falls diese aus¬ 
einanderlaufen oder sich ausschließen, da muß, wie es überall 
zwischen zwei Völkern geschieht, das Machtverhältnis die Ent¬ 
scheidung geben. Wir dürfen deshalb auch nicht an die Frage 
von dem Standpunkt herantreten, daß wir die Vormünder oder 
Wohltäter der Polen spielen wollen. Das wäre ganz verkehrt. 
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