Volltext: Meine Kriegserinnerungen

54 Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916 
zu; ich forderte nur, daß sie nicht einseitig bei der Hilfsleistung an ihren Volksteil 
stehen blieben, sondern andere gleichfalls bedachten. 
Das Aufbringen der Rohstoffe war eine besonders wichtige Aufgabe. 
Auch hier fand Barzahlung statt. Der Jude als Zwischenhändler war dabei 
unentbehrlich. Wir führten viele Häute und Felle, Kupfer und Messing, 
Lumpen und Schrott (Alteisen) der heimischen Kriegswirtschaft zu und ent 
lasteten sie auch durch Inbetriebnahme von Fabriken in Libau, Kowno und 
Bjalystok. 
Die reichen Waldbestände regten besonders zur Ausnutzung an, jeder 
Raubbau aber war untersagt. Der Holzverbrauch für den Stellungsbau und 
für Eisenbahnschwellen war ganz außerordentlich groß. Ein Sägewerk nach 
dem anderen entstand, und während sich unsere Armeen allmählich selbst ver 
sorgten, konnten wir Holz nach dem Westen und nach Serbien liefern. Zellu 
lose für die Pulver- und Papierfabrikation und sonstiges Nutzholz gingen 
nach Deutschland selbst, auch wurde Holz an die Bevölkerung zum Wieder 
aufbau der Wohnungen gegeben. Harz, chemische Holzprodukte, Holzkohlen 
wurden, zum Teil in beträchtlicher Menge, gewonnen. 
Die wirtschaftliche Ausnutzung des Landes war nach allen Richtungen hin 
sehr gründlich und, soweit möglich, mit der Schonung des Landes und seiner 
Bewohner verbunden. 
Zur Beruhigung der Bevölkerung und zur materiellen Hebung des Landes 
wurde mit der Einlösung der von den Truppen während der Operationen aus 
gestellten Requisitionsscheine begonnen: es war eine überaus verwickelte und 
schwierige Maßnahme. Wir bezahlten von nun an alles bar. Valuta 
sorgen schlossen es aus, daß dies in deutschem Gelde geschah. 
Im Einvernehmen mit der Reichsbank und den zuständigen Stellen in 
Berlin schufen wir ein besonderes Geld des Oberbefehlshabers Ost, das bald 
gern genommen wurde. Auch deutsche Banken zogen wir ins Land, um ihm 
neue wirtschaftliche Kraft zuzuführen. Es war keine einfache Aufgabe, die 
ganze Verwaltung zu finanzieren. 
Der Personaletat wurde so knapp wie möglich bemessen. Es tobte eiG 
recht heftiger Kampf zwischen den einzelnen Abteilungen meiner Verwaltung 
um Stellen und Zulagen für die Untergebenen. Ich mußte ausgleichend wirken 
und bekam einen gewissen Geschmack von den Leiden und Sorgen unserer 
staatlichen Finanzverwaltungen. Als wir glücklich den ersten Etat fertig 
hatten, ging er zum Kriegsministerium nach Berlin und zum Generalquartier - 
meister, er wurde begutachtet und nach schweren Kämpfen endlich genehmigt. 
Unsere Einnahmen gründeten sich auf Zölle, Monopole, Steuern und staat 
liche Betriebe. .Sämtliche Abgabensysteme mußten technisch auf der denkbar 
einfachsten Grundlage aufgebaut werden. Kompliziertere und damit gerechtere 
Systeme wären bei dem Mangel an geschultem Personal, dem Fehlen aller 
Unterlagen aus der Russenzeit und der Ungewohntheit der Bevölkerung, in 
ihnen sich zurechtzufinden, einfach undurchführbar gewesen. Der Schwerpunkt 
der Abgaben wurde in Anlehnung an die russischen Verhältnisse auf die Zölle, 
indirekten Steuern und Monopole gelegt. 
Die Bevölkerung war im allgemeinen mit den Steuern zufrieden. Der 
Steuerdruck war auch nicht hart. Die Eesamtabgaben einschließlich der kommu 
nalen Lasten betrugen auf den Kopf der Bevölkerung jährlich nur 19,50 M. 
gegen 32,75 M. in der Zeit vor dem Kriege- Die Einnahmen genügten, um
	        
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