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Der Angriff im Westen 1918
in Rußland fördern, die nicht gegen uns arbeiteten und bereit waren, mit uns
zu gehen. Hierin hätte für die Kriegführung im großen ein bedeutender Er
folg gelegen.
Die stille Arbeit des Bolschewismus wurde von der deutschen Regie
rung nicht erkannt, sie hielt ihn für ehrlich oder wollte ihn doch dafür halten.
Sie ist mit ihm in weitere Verhandlungen über die Punkte getreten,
deren Klärung der Brester Frieden offengelassen hatte. Unsere Regierung
ließ sich in ihrem Vertrauen durch nichts, auch nicht durch den ungefühnten
Gesandtenmord in Moskau, stören. Sie ging ganz glatt in die ihr vom Bol
schewismus gestellte Schlinge, während sie allen anderen Strömungen in Ruß
land mißtraute. Die bolschewistische Regierung war sehr entgegenkommend:
sie entsprach den deutschen Wünschen bezüglich Estlands und Livlands, gestand
auch die Selbständigkeit Georgiens zu, gewährte ratenweise Zahlung einer
Kriegsentschädigung und stellte Lieferung von Rohstoffen, darunter auch Öl
aus Baku, in Aussicht. Die Gegengaben Deutschlands waren gering.
Das Vertrauen unserer Regierung den Bolschewisten gegenüber ging so
weit, daß sie Herrn Joffe Waffen und Munition liefern wollte. Die Herren,
die mir das entsprechende Schreiben des Auswärtigen Amtes brachten, sagten
mir: „Dieses Kriegsgerät bleibt in Deutschland, Herr Joffe wird es hier gegen
uns verwenden."
Von den anderen Vorgängen im Osten kann ich hier nicht ausführlich be
richten. Ich bin dort so weit gegangen, wie ich es in Rücksicht auf unsere
militärische und kriegswirtschaftliche Lage für unbedingt nötig hielt. Napoleo
nische Welteroberungspläne bewegten mein Hirn nicht. Mein sorgenvolles
Ringen ließ phantastische Geistesflüge gar nicht aufkommen. Ich wollte in
der Ukraine und im Kaukasus kein Gebiet erobern; ich beabsichtigte nur, uns
das zuzuführen, was wir so dringend brauchten, um überhaupt leben und den
Krieg führen zu können. Gleichzeitig hoffte ich, nachdem es hier gelungen war,
die Blockade zu sprengen, uns wirtschaftlich zu stärken und damit uns auch physisch
und seelisch zu kräftigen. Die Menschenkraft dieser Gebiete dachte ich für die
Kriegführung auszunutzen, soweit es ging, teils durch Aufstellung von Truppen,
teils, und dies war vielversprechender, durch Anwerbung von Arbeitskräften
für die Heimat, um hier Heeresersatz freizumachen. Ich versuchte das natür
lich in dem ganzen Ostgebiet zu erreichen und hoffte auch, aus der deutschen
Bevölkerung des Ostens unmittelbar Rekruten zu erhalten. Wir arbeiteten
aber nicht schnell genug.
Nur in dem Schütz und der Pflege des Deutschtums ging ich über die
Nächstliegenden militärischen Erfordernisse hinaus und verfolgte Zukunfts
gedanken. Ich wollte das Deutschtum stärken und sammeln und dadurch mäch
tiger machen. Meinem Lieblingsgedanken, der Ansiedlung der in Rußland
versprengten Deutschen neben unseren Soldaten in den Ostgebieten, ging ich
dauernd nach.
Für die in der Verwaltung des Oberbefehlshabers Ost befindlichen Ge
biete bat ich im Laufe des Sommers die Reichsregierung verschiedentlich um
klare Richtlinien, um hier in Übereinstimmung mit den Ansichten der Reichs
leitung handeln zu können. Wir kamen aber nicht vom Fleck. Auch die Lösung
der polnischen Frage stockte weiterhin. Die Briefe Kaiser Karls an den
Prinzen Sixtus von Parma über einen Frieden Österreichs im Frühjahr 1917
wurden bekannt.