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Zehntes Kapitel.
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List fetzt eine versteckte Absicht voraus, und steht also
der geraden, schlichten, das ist, unmittelbaren Handlungs¬
weise entgegen, so wie der Witz dem unmittelbaren Beweise
entgegen steht. Mit den Mitteln der Überredung, dcö In¬
teresses, der Gewalt, hat sie daher nichts gemein, aber viel
mit dem Betrüge, weil dieser seine Absicht gleichfalls ver¬
steckt. Sie ist sogar selbst ein Betrug, wenn das Ganze
fertig ist, aber sie unterscheidet sich doch von dem, was
schlechthin so genannt wird, und zwar dadurch, daß sie
nicht unmittelbar wortbrüchig wird. Der Listige läßt den¬
jenigen, welchen er betrügen will die Irrthümer des Ver¬
standes selbst begehen, die zuletzt in eine Wirkung zusam¬
menfließend, plötzlich das Wesen des Dinges vor seinen
Augen verändern. Daher kann man sagen: wie der Witz
eine Taschenspielcrci mit Ideen und Vorstellungen ist, so
ist die die List eine Taschenspielerci mit Handlungen.
Auf den ersten Blick scheint es nicht mit Unrecht zu
sein, daß die Strategie ihren Namen von der List bekom¬
men, und daß, bei allen wahren und scheinbaren Verän¬
derungen, welche der große Zusammenhang des Krieges
seit den Griechen erlitten hat, dieser Name doch noch auf
ihr eigentlichstes Wesen deute.
Wenn man die Ausführung der Gewaltstreiche, die
Gefechte selbst, der Taktik überläßt, und die Strategie als
die Kunst betrachtet, sich des Vermögens dazu mit Ge¬
schick zu bedienen: so scheint, außer den Kräften des Ge-
müthes, als da sind: ein glühender Ehrgeiz, der wie eine
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